Ludovic Tézier, Orchestra del Teatro Comunale di Bologna, Frédéric Chaslin. Label und Vertrieb: Sony, 1 CD
In nicht gerade baritonfreundlichen Zeiten kann Frankreich auf einen großen Verdi-Sänger in diesem Stimmfach verweisen – auf Ludovic Tézier. In den letzten Jahren hat der 1968 geborene Südfranzose weltweit nahezu alle großen Partien verkörpert, Publikum und Presse überschlagen sich vor Begeisterung über den Mann, der „Samt und Stahl“ in seiner Stimme vereinigen kann. All die unterschiedlichen Charaktere, vom edlen Posa bis zum finsteren Luna, vom besorgten Vater Germont bis zum abgründigen Jago, hat er auf seinem neuen Album zum Stelldichein geladen – eine ganz persönliche Leistungsschau, die Ludovic Tézier als großen Verdi-Verwandlungskünstler zeigt.
Carlo aus La forza del destino macht den Anfang: ein geharnischter Auftritt, kraftvoll, vorwärtsdrängend, angeheizt von einer inneren Vulkanenergie, die der Sänger kontrolliert zum Ausbruch bringt. Dass ihm auch die fragileren Töne liegen, zeigt sich gleich darauf in Rodrigos Abschiedsarie, die gleich zwei Mal auf dem Album vertreten ist, einmal in der italienischen und einmal in der französischen Fassung des Don Carlos. Dank seiner perfekten, noch den unbedeutendsten Konsonanten sorgfältig ausartikulierenden Textgestaltung könnte man anhand dieser Aufnahme schwer entscheiden, in welcher Sprache er gebürtig zu Hause ist.
Hier wie dort beweist Tézier vollendete sängerische Eleganz, wie auch in den Umgarnungsversuchen des alten Germont aus dem zweiten Traviata-Akt, denen das edle Aceto-Balsamico-Timbre die richtige Würze gibt. Geradezu ein Kabinettstück ist der Ford-Monolog È sogno? O realtà? aus dem Falstaff, in dem der Bariton die innere Gefühlsachterbahn des sich betrogen glaubenden Ehegatten in selten gehörter Intensität durchsaust: Die unglaubliche Beweglichkeit seiner geerdeten, gleichzeitig auch dem Knalleffekt in den Höhenregionen nicht abholden Stimme macht’s möglich.
Wie wenig Tézier die reale Bühne benötigt, um die volle Opernwirkung zu entfalten, zeigt beispielhaft auch die zwischen zwei Arien vollzogene Entwicklung des Maskenball-Renato vom edelgesinnten Biedermann zum verbitterten Freundesmörder – und natürlich das „Credo“ des Erzschurken Jago, gefolgt von einem wahrlich aufgewühlten und aufwühlenden Rigoletto-Auftritt mit „Cortigiani, vil razza dannata“ aus dem zweiten Akt. Hier zeigen sich auch die Qualitäten eines so versierten Opernorchesters wie dem des Teatro Comunale di Bologna, das sich unter Leitung von Frédéric Chaslin von Beginn an hörbar von der emphatischen Darstellungskunst Ludovic Téziers mitreißen lässt.
Stephan Schwarz-Peters