Mit der Götterdämmerung vollendet sich die Braunschweiger „Ausweitung des Ringgebiets“. Ein erhitzter Abend mit scharf gezeichneten Konstellationen und packenden Physiognomien.
Von Roland H. Dippel
Typisch Friedrich Nietzsche! Mit Brille, üppigem Scheitel und Notizbuch schreibt er große Lettern auf schwarze Wände: „Wille“, „Wahn“, „Tag meines Lebens – Die Sonne sinkt“. Das hätte es jedoch in diesem furiosen, hinter herber Lautstärke auch faszinierend anrührenden Finale des Radikalschlags „Ausweitung des Ringgebiets“ am Staatstheater Braunschweig gar nicht gebraucht. Aber Partizipation war angesagt, die der künstlerischen Handschriften und die der Sparten. Also durfte das Braunschweiger Schauspiel – vertreten durch Mattias Schamberger als Nietzsche – nicht fehlen. Denn in der Götterdämmerung-Inszenierung gab es keine Spielzusätze aus Thomas Köcks blutjunger Ring-Adaption wie noch im Rheingold-Hors-d’œuvre der Operndirektorin Isabel Ostermann. Anstelle von Wagners originaler Walküre spielte man die Auftragswerk-Uraufführung Die Walküren von Caren Jeß.
Alle Argumente für dieses akkumulative Arbeiten waren plausibel. Wagners Vierteiler Der Ring des Nibelungen mündet in ein „Finale ohne Finalität“, was einen offenen Schluss meint und mit der Idee des Gesamtkunstwerks als Aufforderung zum interdisziplinären Diskurs verstanden wurde. Dieser ist dem Staatstheater Braunschweig inklusive der Auftragskomposition Steffen Schleiermachers zu Siegfried anstelle von Wagners „heroischem Lustspiel“ gelungen. Hinweise auf bekannte Versatzstücke wie das kaputte Cabrio mit dem Kennzeichen „WO – GG 1876“ für die marode Gibichungen-Dynastie wären Mäkelei und verkleistern den Blick auf eine Wagner-Sternstunde.
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