Das Kunstfest Weimar klagte, warnte, hoffte: Welcome to Paradise Lost zeigt den desaströsen Zustand der globalen Vermüllung, Aria di potenza blieb hingegen ein allzu harmloses Intermezzo.
Von Roland H. Dippel
Welcome to Paradise Lost
Spätestens in der Uraufführung des Musiktheaters Welcome to Paradise Lost verwandelte sich das Motto „Sehnsucht nach Zukunft“ des Kunstfestes Weimar 2022 in Zynismus. Denn mit diesem Motto versetzte man die Zuschauer in die Rolle von sich in den Ozean stürzenden Lemmingen. In der Zukunft gibt es nämlich nichts Erfreuliches mehr. Wenn nicht ein Wunder geschieht, zerstört die Öko-Apokalypse die Lebensgrundlagen ihres Verursachers Mensch und der meisten anderen Lebewesen. Mehrere Beiträge des Kunstfests zu diesem Thema trieben vom 24. August bis zum 11. September düstere Gedankenwolken in das milde Sommerflair, mit dem die Klassikerstadt sich und ihre Gäste zu dieser Jahreszeit sonst fast immer verwöhnt.
Jörn Arnecke (geb. 1973) hat den am Staatstheater Kassel im Juli 2021 uraufgeführten Text von Falk Richter (geb. 1969) vertont. Arneckes umfangreiche Musikbeigaben zu Welcome to Paradise Lost lassen der Sprache oft den Vorrang. Sie bestehen aus anspruchsvoll konzentrierten Tonfolgen, elliptischen Harmonien und rhythmischen Chören – zur Beschwörung der nahenden ökologischen Katastrophe würden kreative Überfülle und Raffinesse nicht passen. Holzbläser und Streicher stammeln ähnliche Motive. Dem Chor hat man die poetische Dimension des persischen Versepos Die Konferenz der Vögel von Farid-ud-Din Attar fast zur Gänze entzogen. In gelben Overalls mit Vogelmasken spielte ein Kollektiv junger Menschen aus der Region im bravourösen Totaleinsatz sich selbst: Die Generation Fridays for Future, deren Kassandra-Rufe die internationalen Wirtschaftseliten missachten, bis es zu spät ist.
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