2019 gegründet, etabliert sich die Internationale Opernwerkstatt Waiblingen als Erfolgskonzept, das in seiner dritten Ausgabe junge Sängerinnen und Sänger aus aller Welt anzieht. Auch Corona konnte der von Melanie Diener und Thomas Hampson ins Leben gerufenen Veranstaltung nichts anhaben.
Von Stephan Schwarz-Peters
Spiegel können nicht nur die Eitelkeit, sondern auch die Selbsterkenntnis fördern. Thomas Hampson weiß das. Neben einem Korrepetitor und einer Korrepetitorin hat er sich Unterstützung in Form eines großen Standspiegels aufs Podium geholt. Hier im Ghibellinensaal des Waiblinger Bürgerzentrums, einem idyllisch gelegenen Mehrzweckgebäude aus den frühen 80er-Jahren, verbringt er Anfang Oktober fast eine ganze Woche, um junge Sängerinnen und Sänger in die verborgenen Geheimnisse des Berufs einzuführen – vor allem aber auch, um ihre Stärken auszubauen und an ihren Schwächen zu arbeiten. Gerade gibt die Mezzosopranistin Virginia Reed, die eigens aus den USA in die 56.000-Einwohnerstadt im Speckgürtel Stuttgarts gekommen ist, eine Kostprobe als Komponist, der in Richard Strauss‘ Ariadne auf Naxos die heilige Musik besingt – eine Performance, an der Thomas Hampson viel Lobwürdiges findet, nicht aber die Wahl dieser Partie. „Du bist 27, praktisch noch ein Baby“, sagt er, der heute vor seinen Opernwerkstattteilnehmern und dem verstreut im Saal sitzenden Publikum in einer launigen Mischung aus Englisch und Deutsch spricht, „this is older sister’s stuff.“
Allgemeine Berufsberatung umfasst das Konzept ebenso wie detailliertes Arbeiten. Hier kommt der Spiegel ins Spiel, vor dem Virginia Reed wie all ihre Mitstipendiaten im Lauf dieses Tages Haltung, Körpersprache und Mundbewegung beim Singen beobachten soll. Wie Sportler, die die korrekte Ausführung ihrer Bewegung oft ebenfalls auf diese Weise kontrollieren. „Als Sänger seid ihr Athleten“, wiederholt Thomas Hampson mehrfach, der naturgemäß viel über Atmung, Resonanz, Stütze und Anatomie spricht, seine Schülerinnen und Schüler Flugbewegungen mit den Armen ausführen lässt und ihnen den Rat gibt, zwecks besserer Bauchmuskulatur Situps zu machen. Einen Saal weiter, diesmal ohne Publikum, wiederholt sich das Bild. Hier unterrichtet die Sopranistin Melanie Diener eine andere Gruppe von Stipendiatinnen und Stipendiaten. Auch sie hat einen Spiegel auf der Bühne stehen, auch sie, die nicht zuletzt als Wagner-Darstellerin große Erfolge gefeiert hat, u.a. in Bayreuth, unterrichtet die jungen Sängerinnen und Sänger in einer Weise, die den gesamten Körper, aber auch die innere Verfasstheit miteinbezieht.
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