Berlioz’ Les Troyens geht an der Oper Köln als dekoratives und musikalisches Festspiel über die Bühne. Szene und Musik überzeugen dabei gleichermaßen.
Von Roland H. Dippel
Der „französische Ring des Nibelungen“ wird das 1969 von Colin Davis in London erstmals vollständig aufgeführte „Poème lyrique“ von Hector Berlioz manchmal genannt. Dabei bezog sich der Instrumentationsexperte in seiner Grand opéra Les Troyens weniger auf den 1861 mit Tannhäuser in Paris Skandal machenden Richard Wagner als auf Gluck und Spontini. Auch theatrale Muster Meyerbeers nutzte Berlioz für sein Textbuch über den Fall Trojas und den Zwischenstopp der trojanischen Flüchtlinge in Karthago nach Vergils römischem Nationalepos Aeneis. Vom Gürzenich-Orchester Köln unter seinem Generalmusikdirektor François-Xavier Roth hörte man in der Antrittsproduktion des neuen, von Essen nach Köln gewechselten Intendanten Hein Mulders sogar das Vorglühen der Lyriker Massenet und Fauré aus der Nachfolgergeneration.
Les Troyens geriet edel und faszinierend gut, Johannes Eraths Inszenierung hatte einen hohen Reiz. Allenfalls könnte man monieren, dass die Gräuel des Krieges und die den Karthagern durch die Trojaner zugefügten Blessuren nicht mit roher Gewalt bebildert wurden. Kein Tropfen (Bühnen-)Blut fließt, wenn die Seherin Cassandre mit den Troerinnen und drei Stunden später Königin Didon von Carthage die Rasierklingen an ihre Pulsadern führen. Aber aus der Musik hört man das Leid, die Klage, den Verlust und die Traumata. Mit dieser Grandeur, einem derart subtilen Pathos und feinsten vokalen Finessen erlebt man Berlioz‘ Hauptwerk ganz selten. Im Staatenhaus Köln wurde Les Troyens vom spröden Hochleistungssport zum anrührenden lyrischen Drama.
Jetzt weiterlesen!
Dies ist Premiummaterial. Testen Sie unsere Angebote, um den gesamten Artikel zu lesen.
Abonnieren
Das aktuelle gedruckte Heft jetzt bestellen oder komplett online lesen!Jetzt mit wenigen Klicks zum OPER!-Inhalt
Ausprobieren
Zwei ausgewählte Artikel kostenlos lesen? Dann registrieren Sie sich hier!In dieser Ausgabe kostenlos: