In Braunschweig zeigt das Produktionsteam um Regisseur Philipp Himmelmann, dass man auch leicht altmodische Stücke wie Benjamin Godards Dante in die Gegenwart versetzen kann, ohne das Werk dabei zu verraten.
Von Uwe Friedrich
Zum Schluss verspricht Dante seiner früh verstorbenen Frau Béatrice, sie in seinen Gedichten unsterblich zu machen. Das Versprechen gibt er aber vor allem sich selbst, denn vorher hat er sich ziemlich feige darum gedrückt, seiner sterbenden Geliebten beizustehen. Stattdessen hat er sich in eine Traumwelt geflüchtet, in der einige Abenteuer zu bestehen sind und Vergil höchstpersönlich ihn dazu auffordert, sich ganz der Kunst zu widmen. Regisseur Philipp Himmelmann hat die selten gespielte Oper Dante des französischen Komponisten Benjamin Godard sehr schlüssig auf die verborgene Psychologie des Protagonisten befragt. Das funktioniert auch deshalb so gut, weil Godard und sein Librettist Édouard Blau ziemlich sprunghaft Szenen aneinandergereiht haben, die nur lose verbunden nebeneinanderstehen. In Kürze: Dante wird zum Stadtrat von Florenz gewählt, hat dabei zunächst die Unterstützung Simeones, der aber zu seinem Feind wird, als er erfährt, dass Dantes Liebe zu Béatrice von dieser erwidert wird, obwohl sie ihm versprochen ist. Es folgen die opernüblichen Verwirrungen, die ganze Sache endet unglücklich.
Philipp Himmelmann lässt in seiner Inszenierung den Gegenwartsschriftsteller Dante aus der trostlosen Realität seiner sterbenden Frau in eine fantasierte Welt fliehen, ebenso wie Godard und Blau gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein Fantasiemittelalter zur Flucht aus der kapitalistischen Gegenwart entworfen haben. Vielen Nostalgikern gilt inzwischen die Welt des Pariser Fin de siècle als verklärter Sehnsuchtsort, und so stolpert der Braunschweiger Dante in Strickjacke und Schlabberhose durch eine Gesellschaft in Gehrock und Salonkleidung. Kostümbildnerin Meentje Nielsen hat die verschiedenen Sphären geschmackvoll und detailverliebt entworfen, um zu verdeutlichen, wer zu wem gehört, während die Drehbühne beinahe ununterbrochen die verschiedenen Welten vorüberziehen lässt.
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