In Verdis Don Carlos an der Genfer Oper zeigt Lydia Steier die Überwachungs- und Mordmaschinerie eines Spitzelstaats. Trotz krasser Mittel wirkt ihre Inszenierung aber keineswegs platt.
Von Georg Kasch
Was gilt ein Menschenleben im totalitären System? Nichts. Schon in der ersten Szene von Giuseppe Verdis Don Carlos am Grand Théâtre de Genève wird ein Mensch gehängt, ziemlich realistisch mit Seil, Schlinge und einem noch eine Weile lang zappelnden Körper. Ein Fanal, dem viele Tote folgen werden. Aber warum? Friedrich Schiller erzählte 1787 in seinem Drama davon, dass hinter jedem Mächtigen noch eine weitere Macht steht. Philipp II. herrscht zwar mit harter Hand über Spanien und Flandern (wo er die protestantischen Bestrebungen niederschlagen lässt), auch über Frau Elisabeth und Sohn Carlos. Aber er selbst ist nur Spielstein der Inquisition. Ein innerstes Zentrum der Macht, das leer ist, so legt es Lydia Steier in der finalen Szene ihrer Inszenierung nahe. Da hat sich die Gewalt, die Überwachungs- und Mordmaschinerie längst verselbstständigt, ist nicht mehr zu stoppen.
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