LIEBE LESERIN, LIEBER LESER,
Wer ist die beste Sängerin des vergangenen Jahres, wer der beste Regisseur und wer der beste Nachwuchskünstler? Am 27. Februar haben wir in der voll besetzten Oper Dortmund die OPER! AWARDS 2023 in insgesamt 20 Kategorien verliehen – inklusive des Anti-Preises „Größtes Ärgernis“. Wer zu den Preisträgerinnen und Preisträgern gehört und was uns ein Dorn im Auge war, erfahren Sie in der vorliegenden Ausgabe. Wer als Zuschauer nicht dabei sein konnte, die Veranstaltung aber gerne sehen würde, hat sowohl auf unserer Website oper-awards.com als auch bei OperaVision (operavision.eu) nachträglich die Möglichkeit hierzu. Auf beiden Seiten steht der Live- Stream als Aufzeichnung zur Verfügung (bei OperaVision bis zum 27. März). Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen und verrate schon an dieser Stelle: Lisette Oropesa, unsere Titel-Künstlerin, hat die Jury überzeugt: Sie hat 2022 den besten und nachhaltigsten Eindruck hinterlassen! Wie sie mit den Herausforderungen des hochvirtuosen Belcanto-Repertoires umgeht sowie mit der seit ihrem sensationellen Einspringen 2018 für Diana Damrau in der Premiere von Meyerbeers Hugenotten an der Oper Paris stark gestiegenen Zahl von Auftrittsanfragen und -terminen, lesen Sie im Interview in dieser Ausgabe.
Die Briten und die Oper sind nicht nur in der royalen Familie kein wirkliches Liebespaar. In gewohnt die Tatsachen auf den Kopf stellendem Polit-Framing versucht die britische Regierung derzeit, ihre massiven Kulturkürzungen als „Levelling-Up“-Programm zu verkaufen. Benachteiligte Regionen (wer auch immer das mit welchen Kriterien definiert) sollen davon profitieren, wenn das Geld, das bislang u.a. an die English National Opera floss, nun an sie geht, während die ENO einpacken muss. Proteste weit über die Landesgrenzen hinaus haben das Schlimmste vorerst verhindert, allerdings nur für ein Jahr. Wie es dann weitergeht, weiß niemand. Finanzchaos und Verunsicherung führen aktuell eher zu einer Anhebung nach unten als zu einem Levelling-Up. Doch lesen Sie hierzu mehr in unserem Themenbeitrag.
Sparmaßnahmen hinter zeitgemäßen Mega-Themen zu verstecken, das gibt es allerdings auch in Deutschland. An der Oper Leipzig etwa hat man den Druck des tagesaktuellen Besetzungszettels als Beileger für das Programmheft eingestellt – mit der Begründung, dadurch „wichtige Ressourcen“ einzusparen. Eine Winzigkeit und Lappalie? Keineswegs! Eher Ausdruck von Geringschätzung und Respektlosigkeit den Künstlern gegenüber. Ist doch egal, wer da auf der Bühne steht. Jeder, der überhaupt einmal für die Produktion vorgesehen ist, wird schließlich mit allen anderen im Programmheft namentlich abgedruckt. Aber wer an dem Abend konkret zu erleben ist, muss man als Zuschauer jetzt selbst in Erfahrung bringen. Das geht, indem man die „frei zugänglichen Aufsteller“ in der Spielstätte sucht oder auf die Website des Hauses geht. Da muss man dann alles auswendig lernen oder den Aufsteller wiederholt konsultieren, vor allem, wenn ein kurzfristiger Einspringer zu erleben ist, der nicht im Programmheft steht, weil er niemals eingeplant war (was in der Oper häufiger vorkommen soll).
Wer es unbegreiflicherweise noch genauer wissen will, dem stellt die Oper Leipzig geschickt eine weitere Hürde in Form eines QR-Codes in den Weg. Zum Scannen desselbigen muss man erstmal sein Handy rausholen, um dann in Erfahrung zu bringen, wo der Sänger des Alfredo denn überhaupt herkommt und wo er schon aufgetreten ist. Wer sagt den Leipzigern, dass QR-Codes längst wieder out sind? Während Opernhäuser auf der ganzen Welt daran arbeiten, Barrieren abzubauen, zieht man in Leipzig neue hoch – durch vermeintliche Einsparmaßnahmen, die in dieser fehlgeleiteten Form auch nichts anderes sind als marketingwirksam platziertes Greenwashing.
Neue Ärgernisse sind also auch in der Opernlandschaft immer zu beklagen, keines aber bislang so sehr wie das, was uns 2022 entsetzt hat: der Umgang der Stadt Krefeld mit ihrem Theatervorplatz. Doch lesen Sie dazu mehr im dieser Ausgabe integrierten Programmheft der OPER! AWARDS.
Herzlich
Ihr
Ulrich Ruhnke