LIEBE LESERIN, LIEBER LESER,
Wer uns auf den Social Media folgt, auf X (vormals Twitter), Instagram und Facebook, der kennt längst unsere Nachtkritiken: Erste Eindrücke unserer Rezensenten von der gerade erst gesehenen Aufführung, ergänzt mit Bildern und Videos. Warum nicht gleich die ganze Rezension veröffentlichen, mag man sich fragen. Weil eine fundierte Kritik Zeit braucht, das Gehörte und Gesehene in Ruhe reflektiert und in Worte gefasst werden muss.
Die Veröffentlichung des Textes in der gedruckten Ausgabe des nächsten Monats ist allerdings in der Tat ein Relikt aus dem analogen Zeitalter, als es das Internet noch nicht gab. Informationsgeschwindigkeit und Erwartungshaltungen sind inzwischen komplett andere als früher, sowohl auf Seiten der Leser als auch der Künstler. Beide wollen heute direkt informiert werden, wollen eine Berichterstattung und die Rückmeldung zur künstlerischen Leistung kurzfristig haben.
Insofern freue ich mich ganz besonders, Ihnen heute mitteilen zu können, dass OPER! seine Online- Aktivitäten deutlich ausgebaut hat und seiner Arbeit ab sofort auf zwei gleichberechtigten Wegen nachkommen wird: Aufführungsrezensionen erscheinen nunmehr ausschließlich online auf unserer Website www.oper-magazin.de und bereits bald nach der besuchten Aufführung. Damit bieten wir Ihnen, neben der schon erwähnten, quasi stundenaktuellen Kurzinformation über die Social-Media-Kanäle, den vollständigen Artikel im Tageszeitungsrhythmus oder sogar noch schneller.
In der gedruckten Ausgabe von OPER! finden Sie auch künftig ausführliche Hintergrundberichte, Themenbeiträge, Interviews sowie einen umfangreichen Serviceteil. Texte und Daten also, die nicht in derselben Weise aktualitätsgebunden sind wie Premierenkritiken und zur entspannten Lektüre über einen Zeitraum von zwei Monaten einladen. Beginnend mit der vorliegenden ersten Doppelausgabe November/Dezember wird die gedruckte OPER! entsprechend zweimonatlich erscheinen, selbstverständlich in der gewohnten Qualität und in vertrautem Umfang. Die erste inhaltlich weiterentwickelte und mit den Online-Inhalten synchronisierte Ausgabe halten Sie dann an Weihnachten mit der Januar/Februar-Ausgabe in der Hand. Und wenn auf Ihrem Handy unsere App installiert ist, haben Sie alles zusammen: Sämtliche Online-Inhalte sowie das gedruckte Heft als ePaper.
„Kinder, schaff Neues!“ – das gilt nicht nur für den Opernjournalismus, sondern natürlich auch für die Oper und den Opernbetrieb selbst. Die Epoche, in der ein wesentlicher Teil der Erneuerung der Kunstform vor allem durch die Regie erfolgte, neigt sich ihrem Ende entgegen. Längst ist das gute alte Regietheater institutionalisiert, gehört es zur Oper wie der singende Mensch. Auch die vermeintliche Weiterentwicklung alter 1970er-Jahre Konzepte mit Raumbühnen und Wandertheater mit szenen- oder aktweise verschiedenen Aufführungsorten, wie sie derzeit mancherorts versucht werden, ändern daran nichts. Als eventhafte Ausnahmeproduktionen im Rahmen von Festspielen, wie zuletzt Aus einem Totenhaus bei der Ruhrtriennale Bochum, werden sie auch in Zukunft eine Farbe der Aufführungspraxis bleiben. Doch der zentrale Erneuerungsschub wird wohl von den Werken selbst kommen. Von neuen Opern neuer Komponisten, die über das verfügen, was der Mehrzahl neuer Musiktheaterwerke, die nach 1945 entstanden sind, abgegangen ist: Anschlussfähigkeit beim Publikum – musikalisch wie inhaltlich. Die Zeit monadenhaft abgekapselter Klangsprachen und bedeutungsüberfrachteter Meta- Handlungen scheint vorbei zu sein.
Die USA machen es dem guten alten Europa gerade vor. Nicht nur an der Met in New York, auch in San Francisco, Los Angeles, Chicago und in Seattle kommen Themen zur (Ur-)Aufführung, die einen direkten Bezug zur modernen Bevölkerung haben. Das kommt an und hat Potenzial, wie Christina Scheppelmann, Generaldirektorin der Oper in Seattle, im Interview für die vorliegende Ausgabe zu berichten weiß. Die gebürtige Hamburgerin verfügt wie nur wenige andere im Operngeschäft über jahrzehntelange internationale Erfahrungen und übernimmt 2025 den prestigeträchtigen Intendantenposten am Brüsseler Opernhaus La Monnaie / De Munt. Ihr Blick auf die Oper ist insofern nicht zuletzt ein Vorgeschmack auf das, was uns in der europäischen Metropole unter ihrer Leitung erwarten wird. Seien Sie gespannt!
Herzlich,
Ihr Ulrich Ruhnke