Nicht viele Klassikenthusiasten haben das Copenhagen Opera Festival auf dem Schirm. Dabei ist das Sommer-Event auf dem „Roten Platz“ in Kopenhagens hippem Nørrebro-Viertel eine echte Entdeckung: niederschwellig, familienfreundlich und mit Lust am Experiment.
Von Alexandra Coghlan
Roméo et Juliette
Das TimeOut-Magazin führte Nørrebro letztes Jahr auf Platz Eins der „Coolsten Viertel der Welt“ – eine quirlige Mischung aus türkischer Küche und dänischen Kneipen, neuen Musik-Locations und dem altehrwürdigen Charme des berühmten Assistenzfriedhofs. Daneben ist das Viertel auch, etwas unerwartet vielleicht, Heimat für das jährliche Opernfestival der Stadt. Nach dem großen Erfolg im vergangenen Jahr schlug man auch 2022 wieder das Zelt der Hauptbühne auf dem Roten Platz (Røde Plads) auf, Nørrebros Nachbarschaftsmittelpunkt. Die Veranstaltungen hier werden lautsprecherverstärkt übertragen, sind kostenlos – und werden, wenn man nach dem Besucherandrang, den vielen Kids und dem fröhlichen Trubel geht, auch rege angenommen.
Für das Gastspiel der Malmö Opera jedenfalls gab es keinen freien Sitzplatz mehr. Die Nachbarn von jenseits der Öresundbrücke hatten etwas Interessantes mitgebracht: eine gekürzte, konzertante Fassung von Gounods Roméo et Juliette, die szenisch im November in Malmö Premiere hat. Während die neue Produktion – inszeniert von Amy Lane (die auch Künstlerische Leiterin des Copenhagen Opera Festivals ist) – in der Vollversion die Geschichte ins 19. Jahrhundert und nach New York verlegt, verließ man sich in Kopenhagen ganz auf die Wirkung der Musik.
Zum Dreier-Ensemble aus Kseniia Proshina (Sopran) und den beiden Tenören Sehoon Moon und Rickard Söderberg (Letzterer führte zugleich auch als Erzähler durch das Geschehen) kamen der Chor und das Orchester der Oper Malmö unter der Leitung von Patrik Ringborg, der das Drama von Liebe und Tod in weniger als einer Stunde abwickelte. Und auch wenn sich die Lautsprecherverstärkung als etwas ruppig erwies – den lebhaft gestalteten Stimmungen der Ouvertüre tat das keinen Abbruch: knurrendes Blech, das sich zu knackiger, fugenhafter Präzision entfaltet, ehe es im Ballsaal-Walzer des „L’heure s’envole“ aufgeht, voll von schwellender, wogender Energie. Ringborgs Dirigat liebt die großzügige Geste – weite, klare Linien, die durch die Details hindurch zum Kern der Sache vordringen.
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