Während Daniel Barenboim und Vincent Huguet einen sowohl musikalisch als auch szenisch müden Don Giovanni auf die Bühne der Berliner Staatsoper bringen, wird zumindest formidabel gesungen.
Von Antonia Munding
Der innige Kuss zwischen Nicolas Sarkozy und Angela Merkel war 2011 ein provozierender PR-Gag des italienischen Mode-Labels Benetton. Seit dem 2. April 2022 feiert die Fotomontage ein Comeback als bildlicher Untertitel der neuen Don Giovanni-Produktion an der Berliner Staatsoper – und hängt nach einer trägen Ouvertüre unter Daniel Barenboims Dirigat an grauer Beton-Wand. Leporello beklagt darunter sein ewiges Lakaien-Dasein, während der Schwerenöter Giovanni in einer wenig romantischen Hausecke Donna Anna verführt. Vincent Huguets Regie macht aus dem getriebenen Schürzenjäger einen alternden Modefotografen. Nach Così fan tutte und Le nozze di Figaro, das eine spielt im Hippie-Milieu, das andere ist ein biederes 80er-Revival, soll der Zuschauer nun mit Don Giovanni in der Jetzt-Zeit ankommen. Warum dafür der abgeblätterte Werbe-Witz? Angela Merkel hat abgedankt, Nicolas Sarkozy ist längst Geschichte.
Zunächst wird der Commendatore in seiner Vater-Ehre aufgescheucht und vom abgehalfterten Giovanni gegen einen Betonpoller geschmettert, dann stirbt er. Slávka Zámečniková berührt als Donna Anna direkt von Anfang an mit glasklarem Ansatz und fein dosierter Hysterie. Ihr weicher Sopran, der mit elegantem Vibrato und schillernden Farben besticht, entfaltet sich im Laufe des Abends immer mehr, um in „Non mi dir“, während sie Ottavio erklärt, warum sie nicht heiraten wird, zu formvollendeter Contenance aufzublühen. Bogdan Volkov als Ottavio wirkt daneben stimmlich und darstellerisch zurückgenommen, obgleich er ein wunderbarer Mozart-Tenor ist.
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