Das Hessische Staatstheater Wiesbaden eröffnet die diesjährigen Maifestspiele gewagt: mit einem durchaus fordernden Janáček-Doppel-Wumms aus Die Sache Makropulos und Aus einem Totenhaus. Nicolas Briegers Inszenierung hat kaum das Zeug zum Kassenschlager, überzeugt künstlerisch aber umso mehr.
Von Stephan Schwarz-Peters
Für eine Festivaleröffnung zeigte sich das Große Haus des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden zum Auftakt der Internationalen Maifestspiele recht spärlich besetzt. Die demonstrative Abwesenheit handverlesener Landesvertreter dürfte das Haus auslastungstechnisch verschmerzt haben. Aber wer trägt die Verantwortung für die weiteren lichten Reihen? Sollte die „Causa Netrebko“ der „Sache Makropulos“ das Wasser abgegraben haben? Bundesweit und wochenlang wurde das Gezeter um den Auftritt der russischen Diva bei Deutschlands zweitältesten Musiktheaterfestspielen durch die Presselandschaft gereicht. Mag sein, dass der eine oder andere aus Ärger oder Solidarität (oder aus Angst, durch seinen Besuch „in Russlandnähe“ gerückt zu werden) einen Bogen um die Maifestspielen gemacht hat. Vielleicht war es aber auch nur das strapaziöse Programm: zwei Janáček-Opern an einem Tag bzw. Abend, und dann im zweiten Teil mit Aus einem Totenhaus noch eine mit beklemmender Thematik, mit der man sich an einem so heiteren Frühlingstag vielleicht so gar nicht beschäftigen möchte. Gesprächsfetzen während der Pause nähren diesen Verdacht auf anekdotische Weise.
Janáček macht es einem allerdings auch nicht leicht, mit seiner harschen, spröden und stets an den Extremen kratzenden Musik. So dringt es in der Ausführung des Hessischen Staatsorchesters unter Johannes Klumpp schon in den ersten Takten von Die Sache Makropulos wie Schläge durch den Zuschauerraum – hart und unerbittlich, in einem Puls, dem man sich nicht entziehen kann. Ein riesiges rotierende Rad, eine Art Turbine, die sich im Uhrzeigersinn dreht, richtet den gedanklichen Fokus auf das Hauptelement dieser beiden letzten Janáček-Opern: Es ist die Zeit, diese mitleidlose Maschine, die alles zermalmt, zerhäckselt und im Falle der Opernsängerin Emilia Marty das Leben zum Fluch macht. Durch ein Zauberelixier ihres am Alchimistenhof Rudolfs II. in Prag wirkenden Vaters ist sie dazu verdammt, 300 Jahre und mehr auf der Erde zu verbringen und sich dabei nach und nach in einen zynischen, gefühlsentleerten lebenden Leichnam zu verwandeln.
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