Wagners Parsifal in Genf als suggestive Parabel des existentiell geworfenen, tief und blutig verletzten Menschen, der zu grandios intensiver Musik vergeblich Halt und Erlösung sucht.
Von Klaus Kalchschmid
Wer je mit Gehalt und Text von Wagners „Weltabschiedswerk“ Probleme hatte, mit seiner verschwurbelten christlichen Ikonografie, dem weidlich zelebrierten Taufritual samt Karfreitagszauber; mit dem Glauben eines elitären Männerbundes an den ominösen Gral, mit der sinnenfeindlichen Verteufelung von Weiblichkeit und Sexus bis hin zur rätselhaften Formel „Erlösung dem Erlöser“ am Ende – aber schon immer von Richard Wagners ungemein differenzierter, suggestiv einzigartiger Musik begeistert war, der ist beim Regisseur Michael Thalheimer, dem Bühnenbildner Henrik Ahr und dem Dirigenten Jonathan Nott und seinem wunderbaren Orchestre de la Suisse Romande am Grand Théȃtre de Genève goldrichtig.
Denn es gibt kein Morgengebet, keinen getöteten Schwan, keinen Gral, keine heilige Quelle, keine Taufe, auch keine konkreten Schauplätze und kaum unmittelbare Aktion/Reaktion, sondern eine faszinierend variable Konstruktion aus mächtigen Kuben, zwischen denen verwahrloste Männer in weißer, aber blutverschmutzter Kleidung um Haltung und ein Leben ringen, dem die Blutzufuhr fehlt. Der glatzköpfige, ebenfalls blutverschmierte Gurnemanz kann sich, permanent zitternd, nur mühsam mit Krücken fortbewegen, so fantastisch jugendlich und geschmeidig, sinnfällig und wortverständlich er in Gestalt von Tareq Nazmi auch singt und gestaltet. An entscheidenden Stellen der Handlung versucht er sich mit dem Kopf an Parsifal anzulehnen, als wollte er etwas von dessen unversehrter Jugendlichkeit in sich selbst hinüber transferieren.
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