Mit Corona-Verspätung gab Ai Weiwei in Rom sein Debüt als Opernregisseur mit Puccinis Turandot. Sein Ansatz ist spannend, will in der Überlagerung der verschiedenen Ebenen aber auch zu viel. Zum starken Gegenpol wird die musikalische Leitung von Oksana Lyniv.
Von Katharina Stork
Vor zwei Jahren, kurz bevor die neue Turandot am Teatro dell‘Opera di Roma herauskommen sollte, bremste die Pandemie die Premiere aus. „Und nun, als wir wieder damit begannen, Turandot auf die Bühne zu bringen, kam der Krieg. Russland ist in die Ukraine eingefallen. Diese Turandot geht also immer in extremen Zeiten auf die Bühne“, sagt Ai Weiwei. Der chinesische Künstler liefert in Rom seine erste (und wie er selbst mitteilt auch letzte) Musiktheaterarbeit mit Giacomo Puccinis Abschiedswerk. Ein umfassendes Projekt: Weiwei zeichnet verantwortlich für Regie, Bühne, Kostüme und Video. Ebenfalls als Debüt, zumindest am Pult in Rom, absolviert die Dirigentin Oksana Lyniv den Abend. Die Ukrainerin hat sich in den Wochen nach dem Angriff Russlands kontinuierlich und vehement gegen den Krieg ausgesprochen, in einem Offenen Brief an Putin erklärte sie: „Unser Geist ist unzerstörbar.“ Lyniv ist die erste Frau, die sowohl eine Premiere bei den Bayreuther Festspielen dirigierte als auch die musikalische Leitung eines italienischen Opernhauses übernommen hat: am Teatro Comunale di Bologna.
In China herrscht die schöne und doch grausame Prinzessin Turandot: Der Prinz, der sie heiraten will, soll zunächst drei von ihr gestellte Rätsel lösen. Scheitert er, verliert er seinen Kopf. Ungeduldig erwartet das Volk die nächste Hinrichtung. Ai Weiweis Peking offenbart sich in der ersten Szene als Ruinenstadt. Ehemals mächtige Säulen ragen scharfkantig in den Himmel, der Chor findet zwischen Trümmern seinen Platz. Ai Weiwei übernimmt Puccinis Faszination für das Mystische, das Exotische und übersetzt sie in den Kostümen aufwändig und detailfokussiert in verschiedenste Formen, Stoffe und Farben. Fließend sind die Gewänder des Volkes, mal in Pastell-, mal in gedeckten Farben gehalten. Die Haare sind unter gleichfarbigen, enganliegenden Kappen verborgen, schaffen ein Bild der Gleichförmigkeit und Entindividualisierung. Calaf, Liù und Calafs Vater Timur entlarven sich schon optisch als Neuankömmlinge in diesem Reich: Sowohl die Sklavin als auch der noch unbekannte Prinz tragen aufwändig geflochtene Zöpfe, Gewänder in Erdtönen.
Jetzt weiterlesen!
Dies ist Premiummaterial. Testen Sie unsere Angebote, um den gesamten Artikel zu lesen.
Abonnieren
Das aktuelle gedruckte Heft jetzt bestellen oder komplett online lesen!Jetzt mit wenigen Klicks zum OPER!-Inhalt
Ausprobieren
Zwei ausgewählte Artikel kostenlos lesen? Dann registrieren Sie sich hier!In dieser Ausgabe kostenlos: