LIEBE LESERIN, LIEBER LESER,
eine Milliarde Euro. So hoch ist die Summe, die der in Hamburg geborene und seit über 50 Jahren in der Schweiz lebende Unternehmer Klaus-Michael Kühne seiner Heimatstadt zur Errichtung eines neuen Opernhauses schenkt. Es dürfte die höchste Einzelspende sein, die mindestens dem Kulturbereich in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland jemals zugeflossen ist. Herzlichen Glückwunsch, Hamburg! Man kann das wirklich so sagen, denn das Geschenk ist an keine zweifelhaften Bedingungen geknüpft. Zumindest nach Stand der offiziell genannten Eckpunkte und öffentlich einsehbaren Unterlagen. Einzig für den Fall, dass die Kosten die Milliardengrenze zu reißen drohen, hat Kühne sich ausbedungen, noch einmal überlegen zu können. Bis dahin gilt, dass die Stadt das Gelände auf dem Baakenhöft in der Hafencity als Baugrund für die neue Oper zur Verfügung stellt und erschließt.
Knapp 150 Millionen Euro sind von Seiten Hamburgs dafür eingestellt, der Betrag ist gedeckelt, mehr wird auf die Hanseaten nach derzeitigem Stand nicht zukommen. Die Errichtung des neuen Hauses erfolgt defacto dann durch die Kühne-Stiftung, die es nach dessen Fertigstellung der Stadt als Schenkung übergibt. Selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass die Stiftung insolvent werden sollte, wurde vorgesorgt: die Kühne-Holding, ein Global Player in der internationalen Logistikbranche und finanziell noch viel potenter als die Stiftung, würde dann einspringen. Mehr Vollkasko und Geschenk sind kaum denkbar. Klar, dass Kühne auch nicht einfach bauen kann, was er will, sondern das gesamte Entwicklungsverfahren mit der Stadt und der Bürgerschaft gemeinsam betrieben wird. Auch wird die Hamburgische Staatsoper, die aus ihrem aktuellen Domizil an der Dammtorstraße dann in das neue Heim ziehen soll, weiterhin Hamburgische Staatsoper heißen. Das dann alte Haus bleibt als Spielstätte einer anderen Sparte der Kultur erhalten.
Kühne ist 87 Jahre und laut Forbes-Liste 35 Milliarden US-Dollar schwer. Was treibt diesen Mann, der Stadt, in der er gar nicht mehr wohnt und die ihn in der Vergangenheit auch nicht immer nur gut behandelt hat, ein solches Geschenk zu machen? Warum setzt er sich nicht auf seine Jacht, schippert um die Welt und genießt das Leben? Warum steht er immer noch seinem Unternehmen und der Stiftung vor, geht ins Büro und schiebt Dinge an, deren Realisierung er vielleicht gar nicht mehr erleben wird? Die Fertigstellung der Oper ist für Mitte der 30er-Jahre anvisiert. Glaubwürdig erscheint seine Liebe zu Hamburg. Und sicher auch zur Oper. Sonst hätte er das Geld anderswo hingegeben.
Für die Hansestadt kommt das Geschenk zur rechten Zeit. Seit fast 350 Jahre gibt es ein Opernhaus in Hamburg, damals übrigens von kunstsinnigen Hamburger Bürgern als erste privatwirtschaftlich geführte Oper Deutschlands durchgesetzt. Das derzeit bespielte Haus wurde vor 70 Jahren eröffnet und ist, wie alle Theater aus der Nachkriegszeit, zunehmend renovierungsbedürftig. In welchen Katastrophen und noch größeren Milliardengräbern solche Neuertüchtigungen enden, zeigen Beispiele wie Köln, wo die Sanierung am Ende wohl fast 1,5 Milliarden Euro verschlungen haben wird, oder Stuttgart, wo inzwischen Zahlen von bis zu 2 Milliarden Euro im Raum stehen sowie ein Zeithorizont von 2044 bis zur Wiedereröffnung.
Oper wird heute ganz anders gedacht als in den 1950er- oder 1960er-Jahren. Die Ansprüche an eine Kulturimmobilie sind komplett andere, sowohl technisch und im Hinblick auf Nachhaltigkeit als auch in ihrem gesellschaftlichen Auftrag. Hamburg hat nun die Möglichkeit, Vorreiter zu sein und wirklich Maßstäbe zu setzen. Allein die aktuelle Entscheidung in Hamburg wird andere Kommunen und Länder, die sich um ihre Opernhäuser und Theater kümmern müssen, in Zugzwang bringen, ebenfalls Qualität zu liefern – ob durch Sanierung oder Neubau. Die Spende Kühnes ist indirekt auch ein Bekenntnis der Stadt zur Kunstform Oper. Man hätte auch anders entscheiden können. Überhaupt: Was für ein starkes Signal für die Zukunftsfähigkeit der Oper! Fantastisch!
Werfen Sie dazu auch einen Blick in unser aktuelles Heft, in dem wir die Preisträger der OPER! AWARDS 2025 vorstellen. Um die Zukunft der schönsten aller Künste braucht es einem nicht bange werden!
Herzlich
Ihr
Ulrich Ruhnke