Der Power von George Benjamins Lessons in Love and Violence kann sich auch das Zürcher Publikum nicht entziehen und bejubelt sowohl Stück, Inszenierung als auch Besetzung – was nicht selbstverständlich ist für zeitgenössische Musik, hier aber absolut verdient.
Von Tobias Gerosa
Macht und Liebe, Anziehung und Abhängigkeit, schließlich der Tod, der brutal, aber gleichzeitig auch sanft sein kann. George Benjamins 2018 uraufgeführte und seither an verschiedenen Orten nachgespielte Oper verhandelt drastisch und bewegend sehr grundsätzliche Fragen im Gewand einer weit entfernten Zeit. Der König liebt den Emporkömmling Gaveston – ein seltsames, von Gewalt und Leidenschaft geprägtes toxisches Verhältnis, in das beide die Ehefrau und Königin Isabel ebenso einzubeziehen versuchen wie den Höfling Mortimer, der eben durch seinen Widerstand dagegen zur spannenden Figur wird. Brot oder Musik? Liebe oder Regierungsgeschäfte? Für Edward II. ist die Sache klar – sein Leben soll schön sein. Und er hat die Macht, dafür zu sorgen. Seine Frau löst kurzerhand eine Riesenperle in Essig auf, um mit der Arroganz der Superreichen dem Volk zu demonstrieren, dass sie weit über allen profanen Sorgen steht. Dass das schiefgehen wird, beschreibt schon Christopher Marlowe in seiner Vorlage Edward II. von 1592. Die darin aufgeworfenen Grundfragen bleiben bis heute gleich, das hat der Dramatiker Martin Crimp in seinem Libretto in eine dramaturgisch überzeugende Form in sieben Bilder für packende 90 Minuten Oper umgeformt.
„Das ist ja wie bei einem guten Krimi“, so das Fazit einer Besucherin beim Herausgehen. Benjamins Musik ist suggestiv, überrascht immer wieder mit neuen Mischungen – mal tröten Kinderflöten, oft gibt das Cymbalon dem Klang schwebende, fast unwirkliche Qualität, und das dynamische Spektrum wird vollständig ausgenutzt. Dirigent Ilan Volkov gestaltet ein paar Übergänge harsch, aber sorgt mit der groß besetzten Philharmonia Zürich für einen starken Sog. Wenn in der komplexen ersten Theaterszene die Ebenen dramaturgisch geschichtet werden, bleiben sie stets deutlich erkennbar. Die Tempi sind sänger- und textfreundlich. Die Zürcher Besetzung nutzt das vorbildlich, und zwar bis in die kleineren Rollen.
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