Hoffnung gibt es in Wolfgang Nägeles düsterer Inszenierung von Verdis Macbeth am Luzerner Theater nicht, aber dank spannender Besetzung und zupackendem Dirigat ein fesselndes Musikdrama – auch wenn manches noch nicht ganz ausgegoren wirkt.
Von Tobias Gerosa
Schwarz schneit es auf das einsame Paar. Der Regenschirm nützt nur beschränkt, verloren stehen sie in der pechschwarzen Welt, in der abgehalfterte Könige von gouvernantenhaften Hexen am Zügel geführt und zombiehafte Kinder bespaßt werden. Alle verlieren und sind längst bereits verloren. Wer sind diese Hexen und Erscheinungen eigentlich, denen Verdi noch mehr Raum gibt als Shakespeare in seiner Vorlage? In Luzern wirken sie wie fast alltägliche Erscheinungen: tantenhaft, mit streng zurückgebundenem grauem Haar und im biederen Zweiteiler. Doch ihre Vorhersagen haben es in sich, sie haben die Reihe vertrottelter Könige im Griff, und das wird ihnen auch mit den jetzigen Herrschern gelingen, dessen sind sie sich offensichtlich gewiss. Wie der Regisseur Wolfgang Nägele und sein Ausstatter Valentin Köhler in der Erscheinungsszene im dritten Akt frappierend zeigen, steht auch die nächste Generation längst unter ihrer Knute, denn Macbeth wird hier in einen Kindergeburtstag hineingezogen: Die Abstufungen zwischen kindlich, kindisch und unheimlich sind klein, und Macbeth und seine Frau erkennen ihn offenbar schon nicht mehr. Ist’s nur die Machtgier, die die beiden hier antreibt oder auch eine tiefe Angst?
Die Bühne bleibt den ganzen Abend lang von schwarzem Schnee bedeckt und hinten durch glänzende schwarze Folie begrenzt. Nur eine runde Spielfläche wird bald freigeschaufelt, über die sich ein Zylinder aus Lichterketten senkt: Eine überzeugend einfache, stimmige Raumidee. Macbeth wirkt als Feldherr bärenhaft, knuddelig fast. In den Cargohosen des Soldaten ist ihm offenbar wohler als im Anzug des Herrschers. Samtweich klingt Hrólfur Sæmundssons Bariton in der Tiefe und in der Mittellage, in der Höhe bekommt er einen schönen metallischen Glanz. Sæmundsons Titelheld wirkt nicht so, als könnte er die kriminelle Energie entwickeln, die ihn morden lässt. Die Hände, die den Dolch halten, hängen an Fäden, die von der Lady gezogen werden. Vokal aber lässt er keine Wünsche offen. Da weiß einer, was er warum singt, und weiß auch, wie er seine Stimme mächtig dröhnen lassen kann, und dass im Wahnsinn auch hässliche Töne nötig und wirksam sind. Aber auch, wie schön und tragend sein nahtlos eingebundenes Piano inklusive messa di voce ist. Das ist schlicht großartig gesungen, wenn darstellerisch auch noch etwas reserviert.
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