Katharina Kastening zeigt Paderewskis bipolare Nationaloper Manru in Nancy. Doch die Produktion glättet den dialektischen Dualismus des Stücks allzu stark.
Von Roland H. Dippel
Alltägliche Begebenheit: Die Gefühle einer Ehe erkalten. Der Mann ist müde, die Frau leidet. Das zeigt Katharina Kastening in Gideon Daveys gegenwartsnahem Ambiente für Manru, die einzige Oper des Klaviervirtuosen und Komponisten Ignacy Jan Paderewski. Dieser wurde 1919 zum ersten Ministerpräsidenten des soeben unabhängig gewordenen Staates Polen berufen und hatte mit dem 1901 an der Dresdner Oper mit Riesenerfolg uraufgeführten Manru eine klare pro-polnische Wirkungsabsicht. Das musikalische Bühnenwerk auf Alfred Nossigs Textbuch nach dem Roman Die Hütte am Rand des Dorfes von Józef Ignacy Kraszewski polarisierte bereits bei ihrer Uraufführung, der schnell eine Aufführung in polnischer Sprache im damals galizisch-österreichischen Lemberg folgte. Die Regisseurin Katharina Kastening hatte bei dieser in den letzten 50 Jahren nur in Polen gespielten Oper die löbliche Absicht, alles richtig zu machen. Aber gerade das schrumpfte in der Koproduktion der Bühnen Halle und der Opéra national de Lorraine die thematisierten Konflikte.
Denn die Titelfigur Manru ist ein Sinti. Sein ganzes Leben bemüht er sich in einer ihn für unterlegen haltenden Dorfgemeinschaft, die seiner Volksgruppe zugeschriebenen Eigenschaften zu optimieren. Weil die Polin Olana sich für den Außenseiter als Ehemann und Vater ihres Kindes entscheidet, wird sie aus der sesshaften Gemeinschaft verstoßen. Das Paar lebt entwurzelt in ärmlichen Verhältnissen. Olana flößt Manru einen die entschwundene Sinnlichkeit reaktivierenden Trank ein. Doch Manru treibt es nach der letzten Liebesnacht der beiden zurück zu seiner Volksgemeinschaft. Olana stirbt. Der sie liebende Urok rächt sie, indem er Manru tötet.
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