Thomas Jolly inszeniert Charles Gounods Roméo et Juliette in der Pariser Bastille-Oper als bunt-bewegten Maskenball auf Charles Garniers Treppen.
Von Andreas Berger
Nachts gingen dann die Böller hoch, heulten Polizeisirenen und klirrten die Fensterscheiben. Den tödlichen Schuss auf einen Jugendlichen maghrebinischer Abstammung bei einer Polizeikontrolle im Pariser Vorort Nanterre nahmen Tausende Jugendliche frankreichweit zum Anlass, teils vielleicht auch zum Vorwand für Ausschreitungen, die sich gegen alles richteten, was Staat bedeutet, darunter Kulturzentren, die eigens für ihre soziale Teilhabe und Bildung aufgebaut worden waren. Die französischen Kulturinstitutionen bemühen sich seit Jahren um niedrigschwellige Angebote für Jugendliche, so auch die Pariser Oper.
War man dieser Tage allerdings in Thomas Jollys Inszenierung von Charles Gounods Roméo et Juliette in der Bastille zugegen, musste man nicht fürchten, in irgendeiner Weise mit den Problemen der Gegenwart behelligt zu werden. Dabei geht es um die verbotene Liebe zweier Jugendlicher aus feindlichen Häusern, eine Problematik, die man sich nicht erst seit Leonard Bernsteins West Side Story sehr gut im Kampf jeglicher Vorort-Clans vorstellen kann. Man mag über den deutschen Hang zum aktualisierenden Regietheater manchenorts lächeln, aber so spürt man doch wenigstens, dass die allgemeingültige Geschichte Shakespeares auch heute noch mehr als eine opernkulinarische Bedeutung hat. Im Ballett kann die Jugend der Tanzenden selbst eine klassische Erzählweise authentisch wirken lassen und rühren, ebenso im Schauspiel, einfach weil die Darstellenden auch die Typen verkörpern, um die es geht. Die Oper hat diese Möglichkeit kaum.
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