Gounods Roméo et Juliette am Opernhaus Zürich ist ganz auf das tragische Liebespaar ausgerichtet. Julie Fuchs und Benjamin Bernheim erweisen sich hierfür als ideale Besetzung: fein, intensiv, packend. Regie, Dirigat und Nebenrollen ordnen sich dem unter.
Von Tobias Gerosa
Ganz langsam schiebt sich die glatte, blaugraue Wand vor. Im ersten Akt steht sie im reichlich kahlen, kühlen, streng rechteckigen Ballsaal der Capulets weit hinten. Zwei Reihen Stühle markieren eine Fest- und Gesellschaftsordnung, die auf Distanz und Etikette setzt. Die Kleider der Frauen bleiben dezent, die weißen Smokings der Männer sind neben ein paar obligaten militärischen bürgerliche Uniformen (Kostüme: Annemarie Woods). Die Montagues, die sich einschleichen, obwohl zwischen den Familien der berühmte Streit tobt, unterscheiden sich optisch in Nichts von ihnen. Zu behaupten, dass diese wichtige Konfliktlinie damit irgendwie klar würde, wäre übertrieben. Die eingefügten Tanzpaare haben diesbezüglich auch nicht mehr als eine gewisse dekorative Funktion. Aber die Liebe schlägt trotzdem wie eine Urgewalt in die Körper von Roméo und Juliette – und das Drama nimmt seinen Lauf, den Gounod und seine Librettisten von Shakespeare übernahmen und noch stärker am tragischen Liebespaar ausrichteten.
Im Opernhaus Zürich beginnt die Wand den Raum, den das Paar zur Verfügung hat, immer mehr zu beengen. Schön, wie die entstehende Liebe zunächst buchstäblich Raum bekommt, die beiden sich in der geöffneten Weite annähern. Hier, in der genauen Führung und Gestaltung dieser Beziehung liegt die Stärke von Ted Huffmans ästhetischer, aber doch etwas pastell-keimfreien, auf unter drei Stunden gekürzter Inszenierung (unter Verzicht aufs Ballett und die erste Szene des fünften Aktes). Andrew Liebermans Bühne unterstützt das. Je tiefer die Verstrickungen und fatalen Verwicklungen, je weiter das Stück auf den tragischen Doppeltod zusteuert, desto enger wird der Raum: Die Wand rückt unerbittlich vor. Sonst aber erzählen Huffman und seine Ausstatter (wie schon in seinen beiden bisherigen Inszenierungen am Opernhaus) einfach genau, ästhetisch und mit sorgfältiger Personenführung, ohne aber tiefer zu schürfen oder gar etwas Unerwartetes ans Tageslicht zu bringen. Oder singen die Figuren – der Chor im streng choreografierten Prolog etwa, aber auch bei fast allen Arien – so oft frontal ins Publikum, weil sie sich direkt an uns wenden wollen?
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