An der Wiener Staatsoper inszeniert Calixto Bieito Tristan und Isolde als surreal poetischen Trip ins Unterbewusstsein. Dank intensiv agierender Sängerdarsteller und packenden Klängen aus dem Graben hinterlässt der Abend gehörig Eindruck.
Von Isabella Steppan
Groß war die Aufregung bereits vor der Premiere dieser Neuproduktion, nachdem es während der Generalprobe Buhrufe gehagelt hatte. Nun finden angekündigte Skandale aber erstens selten statt und zweitens bietet Calixto Bieitos Inszenierung nicht viel Grund, sich zu echauffieren. Denn der Regisseur entwickelt seine Deutung stringent aus Richard Wagners Musik und Libretto heraus und beleuchtet statt romantischer Sehnsucht die (selbst-)zerstörerischen Facetten einer extremen Liebe. Das Bühnenbild ist dabei im ersten Aufzug düster und atmosphärisch, Schaukeln hängen herab und der Untergrund ist mit Wasser bedeckt – die Szenerie weckt dabei unwillkürlich Assoziationen an eine verschwommene Traumsequenz.
Bieito konzentriert sich in der Personenführung auf das gemeinsame Trauma des Titelpaares und arbeitet den Zwiespalt, in dem sowohl Tristan als auch Isolde stecken, klar heraus. Tristan ist kein strahlender Held, sondern ein gebrochener Mann mit Suizidgedanken, und Isolde kämpft mit ihrem eigenen Gewissen, weil sie sich in Tristan verliebt hat. Wie unmöglich diese Beziehung ist, wird auch im zweiten Aufzug deutlich, wenn die beiden in getrennten Räumen agieren und sich eingestehen müssen, dass es in diesem Leben schlichtweg keine Chance auf ein gemeinsames Glück für sie gibt. Erst als im Libretto vom Tod die Rede ist, können sie ihre Räume verlassen und einander auch physisch nah sein.
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