Vor zehn Jahren starb der Jahrhundertbariton Dietrich Fischer-Dieskau – und ist von den Fans unvergessen. Zeit für eine Neubewertung!
Von Kai Luehrs-Kaiser
Dieser Jahrhundertsänger nahm gleichsam sein Jahrhundert mit. Kein anderer Musiker nämlich – außer vielleicht Herbert von Karajan – wurde nach seinem Tod, aber auch schon zu Lebzeiten, einer so radikalen Kritik unterzogen wie der Bariton Dietrich Fischer-Dieskau. Man versteht kaum noch, was so wichtig an ihm war. Unsere Welt also muss eine völlig andere sein. Seine Fans freilich hat er behalten. Er war zu gut, um die Gegensätze, die Lager seiner Anhänger und Gegner nicht zu überstrahlen. Recht kurz, bevor Fischer-Dieskau vor genau zehn Jahren starb, habe ich ihn in seinem Haus in Berg am Starnberger See interviewt. Es war sein letztes großes Interview. In der Halle wartete er. Die blauen Fingerkuppen des ansonsten unveränderten, wie immer akkurat gescheitelten Herrn machten stutzig. Doch der 86-Jährige war auskunftsfähig und schlagfertig wie eh und je.
„Bin gespannt, was Sie alles mitgebracht haben“, meinte er im Hinblick auf die Deutsche Oper, seine Stammbühne in Berlin – und unser Thema. Für die Feststellung, er sei ein prägender Sänger dieses Hauses von den 40er- bis in die 90er-Jahren gewesen, erübrigte er ein süffisantes: „Wenn man es so freundlich ausdrücken will…“ Auf die Bemerkung von Júlia Várady, seiner Ehefrau, sie bekomme immer noch „Herzklopfen, wenn ich da vorbeifahre“, replizierte er spitz: „Aber an uns erinnert sich doch dort keiner mehr…“ Várady rief ihn prompt zur Ordnung: „Aber nein, Dieter, das glaubst du doch selber nicht!“
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