Mit Renata Scotto verliert die Opernwelt ein Sopranwunder, das mit gleißenden Spitzentönen das Publikum geradezu in die Knie zwingen konnte.
Von Kai Luehrs-Kaiser
Sie elektrisierte. Wenn es jemals in den vergangenen 60 Jahren eine Sängerin gab, bei deren Auftritten einem das Blut in den Adern gefrieren konnte, war es Renata Scotto. Was immer an unsinnigen Vergleichen zwischen ihr und Maria Callas, deren Erbe sie angeblich bruchlos angetreten hatte, verbreitet und nachgeplappert wurde: In diesem einen Punkt bleibt es wahr. Ein stimmliches Fanal, dazu die Fähigkeit, ein Publikum zu kommandieren und am kurzen Bande an der Nase herumzuführen, ja mehr noch: es in die Demutshaltung eines allerschönsten Publikumsmasochismus hineinzuzwingen, wurde von niemandem so beherrscht wie von ihr. Sie genoss es.
Und wusste, weshalb. Denn die Stimme der mit 89 Jahren in ihrem Geburtsort Savona jetzt verstorbenen Sopranistin war nicht die größte. Nicht mal die schönste. Bei aller gleißenden Grandezza ihrer Spitzentöne konnten sich leicht störende Metallspäne mit daruntermischen. Das gloriose Angriffspotenzial dieser Sängerin erhöhte dies – und befähigte sie, vom Verismo her ihre Rollen stilistisch anzugehen. Was die kleine, bei all ihren weichen Zügen drahtige Dame an Finessen in ihren Rollen einzubringen vermochte, das war es, wodurch sie sich jederzeit durchsetzen und behaupten konnte – ebenso gegen größere Stimmen (Sutherland) wie gegen feinere (Caballé), süßere (Freni) und dramatischere (L. Price).
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