Ursprünglich im Kampf gegen den Corona-Blues ins Leben gerufen, bietet der YouTube-Channel „Screaming Divas“ Protagonisten des Opernlebens eine Plattform für lockere Gespräche. Dass Spaß und Alkohol nicht zu kurz kommen, garantieren die Gastgeberinnen Sondra Radvanovsky und Keri Alkema.
Von Stephan Schwarz-Peters
Not macht erfinderisch – oder verwandelt eben noch bis an die Belastungsgrenze beschäftigte Operndiven in Influencerinnen. Im März 2020 befand sich Sondra Radvanovsky für eine Aufführungsserie am Teatro Municipal in Rio de Janeiro, als die weltweit aufschwappende Corona-Welle auch dieses Engagement zunichtemachte. Wieder daheim in Kanada, suchte die Sängerin nach einer Beschäftigung, um dem auch zwischen Wald und Wildnis lauernden Pandemie-Blues entgegenzuwirken. Als bekennende Gin-Liebhaberin bot sich für sie der Griff zur Flasche an; da sich Gin-Tonic-Trinken als tagesfüllende Beschäftigung allerdings kaum empfiehlt (und allein weniger Spaß macht als mit anderen), initiierte sie eine Art Online-Schicksalsgemeinschaft mit ihrer Kollegin Keri Alkema, die gleichzeitig ihre beste Freundin ist. Wie Sondra Radvanovsky ist auch sie in den großen Opernhäusern der Welt zu Hause, auch sie genehmigt sich gern einmal ein Schlückchen der Wachholder-Spirituose. Was lag näher, als sich gegenseitig über Bildschirm zuzuprosten und sich über die Sorgen und Nöte kaltgestellter Bühnenkünstlerinnen auszutauschen?
Trotz der ernsten Lage im Hintergrund wurde es sehr schnell sehr lustig. Bald entstand die Idee, weitere coronagebeutelte Protagonisten des Opernlebens in die virtuelle Schnapsrunde zu holen. „Eines Tages haben wir beide gesagt ‚Ich frage mich, ob die anderen gerade dasselbe fühlen, was wir in diesem Moment fühlen‘“, erinnert sich Radvanovsky an die Geburtsstunde jenes Channels, mit dem sie sich gemeinsam mit Alkema seit April 2020 auf YouTube präsentiert: eine im Plauderton gehaltene Podcast-Serie, an der sich neben den beiden Diven jeweils ein zugeschalteter Gast beteiligt; manchmal sind es auch mehrere. Jede Woche erscheint ein neuer Beitrag. Fleißig waren die Freundinnen: In mittlerweile anderthalb Staffeln sind bis heute rund 80 Folgen des Formats entstanden. Sein Titel passt gut zum bisweilen quietschig-überdrehten Inhalt. „Wir haben uns für ,Screaming Divas’ (Schreiende Divas, d. Red.) entschieden, weil wir immer unseren Mund offen haben, wenn wir singen“, erläutert Sondra Radvanovsky. „Und ist Singen denn etwas anderes als modifiziertes Sprechen oder Schreien?“
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