Früh schon schrieb Josef Protschka Musikgeschichte – doch seine eigentliche Sängerkarriere startete der Tenor als Spätzünder. Eine einzigartige Stimme und große musikalische Neugier haben seine Laufbahn geprägt, die niemals nur auf die Opernbühne beschränkt war.
Von Stephan Schwarz-Peters
Nicht viele können von sich behaupten, bereits als Kind zu den Pionieren der Avantgarde gezählt zu haben. Josef Protschka schon. Wer einmal Karlheinz Stockhausens „Gesang der Jünglinge“ gehört hat, ein mit konkreten Klängen angereichertes frühes Meisterwerk der Elektronischen Musik, kennt die Stimme des Tenors in ihrem Larvenstadium: als ausdrucksvollen Knabensopran, der sich mal in wilden Koloraturen, mal in lyrischen Bögen mit den futuristisch blubbernden Klängen der Sinus- und Impulsgeneratoren verbindet. „Fast zwei Jahre lang hat Stockhausen regelmäßig mit mir daran gearbeitet, auf sehr freundliche, aber auch fordernde Weise“, erinnert sich Protschka, der selbst kaum einen Schimmer hatte, was da unter Anleitung des berühmten Komponisten im legendären WDR-Studio für Elektronische Musik entstand. Noch mehr als das musikalische Endergebnis überraschte den damals Zwölfjährigen die Reaktion der Zuhörer bei der Uraufführung im Kölner Funkhaus im Mai 1956, bei der er mit seinem Vater in der letzten Reihe saß: „Erwachsene Leute sind mit Regenschirmen aufeinander losgegangen. So etwas hatte ich noch nie erlebt.“
Der Pioniergeist hat Josef Protschka nie verlassen, der in späteren Jahren oft in ungewöhnlichen Rollen für Aufmerksamkeit sorgte, sich als einer der ersten und prominentesten Vertreter seines Fachs mit Partien wie dem Sänger Elis in Schrekers Schatzgräber oder der Titelfigur in Schuberts Fierrabras – 1988 in einer Maßstäbe setzenden Wiener Produktion unter Claudio Abbado – auseinandersetzte. Verborgene Schätze, die er mit dem gleichen Eifer sang wie die großen Dauerbrenner des lyrisch-dramatischen Tenor-Repertoires. Das Zentrum seines Lebens blieb dabei stets das Rheinland, wohin die Familie Protschka, wie viele heimatvertriebene Sudetendeutsche, nach dem Krieg übergesiedelt war und wo er heute noch, im Norden Kölns, in einem Haus wohnt, „das eher einer Bibliothek als einem Wohnhaus gleicht“. Geistige Nahrung in Form von Literatur spielte eben schon immer eine große Rolle in Josef Protschkas Leben. Zwischenzeitlich eine weit größere als die Musik. Mit glänzendem Erfolg absolvierte er zunächst ein Studium der Klassischen Philologie, der Philosophie und der Germanistik.
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