Sherrill Milnes war der amerikanische Verdi-Bariton der 70er- und 80er-Jahre – auf Schallplatten geradezu unvermeidlich. Heute lebt er in Florida, ist wohlauf und unterrichtet.
Von Kai Luehrs-Kaiser
Wo immer Leontyne Price, Renata Scotto, ebenso Montserrat Caballé oder Joan Sutherland das italienische Fach unsicher machten, war er mit von der Partie. Als Rigoletto, Luna, Posa, Jago, Macbeth und Germont père; als Scarpia, Tell, Tonio und Escamillo. Warum eigentlich? Sherrill Milnes’ erzener, leicht erdiger und nicht eben zimperlicher Bariton war keineswegs besonders schön zu nennen. Er wies auch keine Überrumpelungsqualitäten, wohl aber etliche Maskulinität auf. Vor allem wohl fällt einem kein anderer dramatischer Bariton ein, auf den die Rolle des Jack Rance in Puccinis Fanciulla so sehr gewartet hätte. Milnes, wie auch immer, schien ein Allesbeherrscher. Er wurde weit mehr beschäftigt als die viel italienischere Konkurrenz etwa eines Piero Cappuccilli, Renato Bruson oder Leo Nucci.
Heute ist Sherrill Milnes 88 Jahre alt, lebt mit seiner griechischen Ehefrau und seiner Familie in Palm Harbour/Florida und singt immer noch, wenn Not am Mann ist. Nach wie vor scheint er vorzüglich vernetzt, beim Savannah Voice Festival gibt er Meisterkurse. Ein intelligenter Sänger, wie sich im Gespräch rasch zeigt. „Fragen Sie nur“, so Milnes. „Ich werde so antworten, wie ich Sie gern verstehen möchte. Okay?“ – Okay. „Mein Glück war“, so Milnes, „dass mir mit Leontyne Price und Plácido Domingo gleichzeitig ein Vertrag von der RCA angeboten wurde. Durch den war ich in allen möglichen Aufnahmen ganz automatisch drin.“ Darum also. So kam es immerhin zu bis heute unerreichten Leontyne Price-Klassikern wie Aida (unter Leinsdorf), La forza del destino (Levine), Il trovatore und Tosca (Mehta). Milnes war immer dabei.
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