Lange vergessen, hat die Musik von Erich Wolfgang Korngold in den letzten Jahren ihre Renaissance auf den Opernbühnen erlebt. Jetzt zieht die Musikwissenschaft nach: In den kommenden 25 Jahren soll die erste kritische Gesamtausgabe entstehen. Die Arbeitsstellen der Edition sind in Berlin, Rostock und Frankfurt angesiedelt.
Von Dagmar Penzlin
Lange wurde Erich Wolfgang Korngold zwar als Könner, aber nicht als wirklich ernstzunehmender Komponist angesehen. Der Start der kritischen Gesamtausgabe seiner Werke dokumentiert ein Umdenken. „Vor zehn Jahren hätte ich mir das nicht träumen lassen, dass diese Gesamtausgabe jetzt entsteht“, sagt Arne Stollberg. Der Musikwissenschaftsprofessor der Humboldt-Universität in Berlin leitet gemeinsam mit Friederike Wißmann die historisch-kritische Edition. In der Hauptstadt entstehen die Neuausgaben der neun Bühnenwerke. Den Anfang macht eine Oper, die den 23-jährigen Komponisten mit einem Schlag berühmt gemacht hat: Korngolds psychoanalytisch aufgeladenes Stück Die tote Stadt kam am 4. Dezember 1920 zeitgleich in Hamburg und Köln zur Uraufführung. 1934 emigrierte der jüdische Komponist in die USA und kreierte in Los Angeles den bis heute nachwirkenden Hollywood-Sound der Traumfabrik. In Europa konnte Korngold nach dem Zweiten Weltkrieg nicht wieder Fuß fassen.
Die tote Stadt – sein vor kompositorischen Ideen überquellendes Meisterwerk – erlebt seit einem Jahrzehnt eine Renaissance mit mehr als einem Dutzend Neuproduktionen an Opernhäusern auch in großen Metropolen wie Wien, Paris und München. Nicht zuletzt deshalb ist diese Partitur eine der ersten, die in der kritischen Gesamtausgabe erscheint. Arne Stollberg staunt über die vielen Editionsprobleme. Zwar habe der Schott-Verlag aufgrund der vielen Neuinszenierungen in jüngster Zeit neues Aufführungsmaterial herstellen lassen, erzählt der Korngold-Forscher, und es werde nicht mehr aus den alten Stimmen von 1920 gespielt. Aber: „Das Stück ist nie kritisch ediert worden, es wurde nie daraufhin durchgesehen, ob verschiedene Fassungen vorliegen oder ähnliches. Außerdem gibt es in den Aufführungsmaterialien ganz handfeste Fehler: falsche Tonhöhen, in verschiedenen Fassungen unterschiedliche dynamische Bezeichnungen und so weiter. Die sind im Zuge des Produktionsprozesses einfach hineingerutscht und wurden bisher noch nicht korrigiert.“
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