Als Alternative zum Opernhausbesuch hat sich Oper im Kino mittlerweile durchgesetzt. Ganz vorn mit dabei ist hier das Royal Opera House in London, das auch in diesem Jahr wieder eine Vielzahl an Opern- und Ballettaufführungen live in die Kinosäle der Nation bringt.
Von Stephan Schwarz-Peters
Mag sein, dass die Kleiderordnung im Opernhaus mittlerweile aufgeweicht wurde; niemandem wird der Eintritt verwehrt, nur weil er oder sie zur Premiere nicht im Smoking oder Abendkleid erscheint. Trotzdem dürfte mehr noch als das musikalisch-dramatische Geschehen auf der Bühne die Frage nach äußerlich erkennbaren Distinktionsmerkmalen dazu führen, dass viele den Besuch der Oper scheuen. Ganz anders das Kino. Hier verkehrt man schon seit jeher in Freizeitkleidung, die Show findet einzig und allein auf der Leinwand statt, nicht im Zuschauerraum und nicht im Foyer, wo man üblicherweise auch nicht in der Pause bei Häppchen und Sekt zusammentritt, um über das Erlebte zu fachsimpeln. Es sei denn, statt einer neuen Hollywoodproduktion steht die Live-Übertragung einer Opernaufführung auf dem Programm, wie sie schon seit Jahren immer mehr der großen internationalen Häuser anbieten. Dann vermischen sich beide Kunst- und Darstellungsformen, auch das Publikumsverhalten verändert sich zu einer Art hybriden Mischform aus Lässigkeit und Eleganz: Wer sich Opernaufführungen im Kino ansieht, kann dabei auf festlich gekleidete Personen treffen, die den ersten Akt von Tristan und Isolde mit Popcorn und Bier in der Hand genießen. Auf jeden Fall in einem deutlich ungezwungeneren Ambiente als, sagen wir mal, im Bayreuther Festspielhaus.
Seit Langem im Kinogeschäft dabei ist das Royal Opera House in London, das seit 2008 über 130 Opern- und Ballettaufführungen in knapp 1.600 Lichtspielhäuser in über 50 Länder der Welt gebracht hat; etliche davon im deutschsprachigen Raum, darunter kleine Arthouse-Kinos mit erlesenem Programm, aber auch große Multiplexe mit vollausgestatteter Übertragungs- und Soundtechnik. Abgesehen davon, dass ein Trip zum Originalschauplatz teuer und aufwändig ist – und, da meist mit Flugreisen verbunden, die Umwelt belastet –, lassen Unwägbarkeiten wie Umbesetzungen oder Streiks an Flughäfen oder Bahnhöfen einen Opernausflug ins Ausland oft zum Risikospiel werden. Dank des deutschlandweit dicht ausgebauten Netzes an Kinos, die die Londoner Aufführungen übertragen, findet jeder ein Angebot in seiner Nähe. Nahezu in allen Großstädten lässt sich das Live-Ereignis vor Ort mitverfolgen, selbst in abgelegeneren Gegenden der Republik findet man im Regelfall ein Kino in erreichbarer Nähe, das zu moderaten Preisen hautnahe Einblicke in die stargespickten ROH-Produktionen gewährt.
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