Tschaikowskys Oper Jolanthe wurde in der konzertanten Aufführung unter Kirill Petrenko in der Berliner Philharmonie zu einem wahrhaftigen Hörereignis.
Von Peter Uehling
Peter Tschaikowskys letzte Oper Jolanthe handelt von einem blinden Mädchen, das im Glauben aufwächst, es gäbe kein Licht, kein Sehen und damit auch keine Menschen, die sehen können. Nimmt man das sehr ernst, stellt die Oper die Frage nach der Inszenierung schon mit ihrem Stoff. Wenn man die Oper konzertant aufführt wie die Berliner Philharmoniker und ihr Chefdirigent Kirill Petrenko, befindet man sich in einer Welt, in der es nichts zu sehen gibt. Die Sänger stehen zwar auf dem Podium, sind als Figuren aber dennoch unsichtbar. In der Berliner Philharmonie gibt es aus pragmatischen Gründen zwar Auf- und Abtritte der Sänger, aber man hat sich all das, was man „halbszenisch“ nennt, in dieser Aufführung verkniffen. Somit wurde sie ein Hörereignis – und was für eins!
[restrict role=“subscriber, customer“ page=“2164″]Zu Beginn sinkt das Englischhorn chromatisch in die Tiefe, als würde sich ein Blinder mit kleinen Schritten vorsichtig vorantasten; dergleichen sensitive Klanglichkeit zeichnet Petrenkos Interpretation während der gesamten ersten Szene mit Jolanthe und ihren sich blind stellenden Gefährtinnen aus, als sollte die spezifische Sinnenwelt dieser Heldin mit Klängen zum Hören und Anfassen verdeutlicht werden. Mit Streichquartett und Harfe erklingt archaisierende, höfische Musik, wie von ferne, als wäre das schon nur noch Erinnerung – denn Jolanthe ahnt, dass irgendetwas in dieser Welt nicht stimmt. Ihren Fragen begegnen die Gefährtinnen mit vergeblichen Aufmunterungsversuchen und schließlich mit einem Schlaflied, in das sich der Rundfunkchor Berlin nahtlos einfügt.
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