Der Intendant des Theaters Regensburg, Sebastian Ritschel, hat Lorin Maazels Monumentalwerk 1984 auf den Spielplan gesetzt, dafür extra eine Orchesterfassung für kleine und mittlere Häuser erstellen lassen und zugleich die Regie übernommen. Die erschreckende Aktualität des Stoffes, gepaart mit einer musikalisch hochwertigen Darbietung, bietet drei Stunden Opern-Höchstspannung.
Von Franziska Stürz
Manchmal sind Werke ihrer Zeit voraus: In Lorin Maazels Oper 1984 trifft die visionäre Kraft von George Orwells Literaturvorlage zusammen mit der theatral angelegten Musik genau den wunden Punkt unserer von der sogenannten „Zeitenwende“ aufgerüttelten Existenz im Jahr 2023. Was bei der Londoner Uraufführung 2005 an der Komposition noch unter musikwissenschaftlichen Aspekten bekrittelt wurde, ist heute in Regeneburg weniger wichtig. Jetzt erschüttert die Aktualität des Stoffes dermaßen, dass Maazels teils neoromantische Tonsprache, seine an Musical und Filmmusik angelehnten Passagen wie ein zynisch lächelnder Unterton zur Grausamkeit der Geschichte wirken.
Die vielschichtigen Klangflächen von düster-schwarzem Dröhnen bis hin zum nervtötenden hohen Flirren und auskomponierten Elektroschocks in den Folterszenen erschüttern, berühren und schmerzen. Mittlerweile sind Hass-Reden, mediale Sprach- und Nachrichtenmanipulation, Kriegspropaganda und klar formulierte Feindbilder sowie staatlich verordnete Denkverbote völlig real und global verbreitet. Gesichtslose Menschen in Schutzanzügen haben wir seit der Pandemie ebenfalls noch gut vor Augen, und so laufen in Sebastian Ritschels Inszenierung auch die Bewohner Ozeaniens in ihrer nur von Neonröhren oder Bildschirmen erleuchteten und zugleich überwachten finsteren Welt in Overalls herum.
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