Das Meininger Staatstheater zeigt Erich Wolfgang Korngolds Die tote Stadt in der Regie von Jochen Biganzoli. Dessen sanfte Uminterpretation funktioniert recht gut, nimmt dem Werk aber viel von seiner Mehrdeutigkeit.
Von Uwe Friedrich
Auf der Fahrt zur Entbindungsklinik mit seiner schwangeren Frau Marie verursacht Paul einen Verkehrsunfall, in dem seine über alles geliebte Partnerin stirbt. Seitdem plagen ihn Schuldgefühle, die Vision seiner verstorbenen Liebe verfolgt ihn, er halluziniert schwerverletzte Kleinkinder herbei, bandagierte Säuglinge und vorwurfsvolle Mütter, die ihre toten Kinder in einer Prozession vorzeigen. So steigert der Regisseur Jochen Biganzoli die Obsessionen des jungen Witwers noch weiter, setzt sie um in einem verschärften Psychogramm des Mannes, der sich von der Vergangenheit weder trennen will noch kann.
Unablässig dreht sich dazu das labyrinthische Bühnenbild von Wolf Gutjahr. Eine enge Innenlandschaft, die immer wieder dieselben Räume freigibt. Wohnzimmer, Schlafzimmer, Verbindungsgänge, schließlich das Studio des Fotografen Paul, in dem er Bilder von der Tänzerin Marietta macht, die seiner verstorbenen Frau Marie bis aufs Haar gleicht. So wollen es jedenfalls Georges Rodenbach in seinem Roman Bruges-la-Morte und der Komponist Erich Wolfgang Korngold in seiner Adaption für die Opernbühne. In Meiningen sehen die beiden sich jedoch gar nicht ähnlich, auch Kleid und Frisur von Marietta können höchstens Pauls Fantasie angeregt haben, sich erneut in seinen „Traum der Wiederkehr“ hineinzusteigern.
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