Peter Eötvös’ neue Oper Sleepless wagt wenig und schaut nicht über den Rand ihres Plots hinaus. Das Ergebnis: gediegene Langeweile an der Staatsoper Unter den Linden.
Von Peter Uehling
Es gibt ein zeitgenössisches Komponieren, das nicht mehr an Skandale glaubt und den Erfolg auf direktem Wege sucht. In den Opernhäusern gab es solche Musik schon früh, wohl weil die Oper als „unreine“ Gattung, angewiesen auf einen so großen wie trägen Apparat, immer zu Kompromissen neigte. Was die Institutionen vor 60 Jahren so herausforderte wie Zimmermanns Soldaten, ist Herausforderung geblieben, aber als solche haben sich die Soldaten auch tiefer ins Gedächtnis geschrieben als alle Opern von Hans Werner Henze zusammengenommen.
Auf der heutigen Bühne ist der Meister des ohne Widerstand durch die Institutionen laufenden Musiktheaters der Komponist Peter Eötvös. Schon als langjähriger Dirigent des Pariser Ensembles intercontemporain kennt er sich mit allen Strömungen der Avantgarde aus und weiß, wie man deren Errungenschaften anwendet, ohne sein Publikum zu überfordern. Und so verdutzte seine Oper Tri Sestry nach Tschechows Drei Schwestern mit dem Dreh, die Schwestern mit Countertenören zu besetzen und eine nicht-chronologische Erzählform zu finden, die in jedem Akt eine andere Person in den Mittelpunkt stellt. Was bei dieser aparten Verdrehung herauskam, war allerdings – eine Oper mit den üblichen Liebes- und Verzweiflungsarien; um Tschechows dramaturgisches Experiment, die dreiköpfige Hauptfigur, machte Eötvös so einen Bogen, der modern erscheint, in Wirklichkeit aber die traditionellen Opernverhältnisse wiederherstellt.
Und so verhält es sich auch mit seiner Adaption von Jon Fosses Prosawerk Trilogie, die unter dem Titel der ersten daraus entnommenen Novelle Sleepless in der Staatsoper Unter den Linden uraufgeführt wurde. Jon Fosse, in dessen Bühnenstücken eher wortkarge Personen auftreten, verfügt in seiner Prosa durch suggestive Wiederholungen und einen eher schmalen Wortschatz über einen eigenen, eigentümlich stotternden Ton. Damit werden Assoziationen an eine vorzivile Welt geweckt, und man könnte auch kaum sagen, wann die Handlung der Trilogie spielt. Asle und Alida sind ein minderjähriges Liebespaar; sie ist schwanger, und wie Maria und Josef ziehen sie durch die Straßen einer norwegischen Kleinstadt auf der Suche nach einer Herberge. Asle sieht sich am Ende gezwungen, eine Hauseigentümerin umzubringen, damit Alida das Kind nicht auf der Straße gebären muss. Diese Tat bleibt nicht unentdeckt und führt dazu, dass Asle von der Dorfgemeinschaft gehängt wird. Jahre später ist Alida aus Sorge um den gemeinsamen Sohn eine Zweckehe eingegangen; sie schaut aus dem Fenster und fühlt ihren Asle in Wind und Wellen bei sich.
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