Beim diesjährigen Rossini Festival in Pesaro wird Otello musikalisch zu einer der besten Produktionen der letzten Jahre. Le comte Ory und La gazzetta können daneben nicht ganz mithalten.
Von Uwe Friedrich
Otello
Die Geister ermordeter Frauen erscheinen beim zweiten Finale von Otello, geschundene Figuren, blutbefleckt, gekrümmt, und kommentieren die schockierende Demütigung Desdemonas. In Rosetta Cucchis Inszenierung wird Desdemona zur Hauptfigur, der Emporkömmling Otello ist bloße Manövriermasse einer geschlossenen Männergesellschaft, die den Fremden ausschließt und damit anfällig macht für die Manipulationsversuche Iagos. Schon Rossini gibt der Geschichte des afrikanischen Feldherrn in venezianischen Diensten einen anderen Dreh als Shakespeare und später Verdi. Bei ihm sind Otello und Desdemona noch nicht verheiratet, sondern nur heimlich verlobt, der Vater will sie mit Rodrigo verkuppeln, was zwar für melodienselige Verwicklungen sorgt, aber auch für dramaturgische Probleme.
Die löst Cucchi recht elegant, indem sie eine Oberschicht zeigt, die zwar fremdenfeindlich ist, in der die herrschenden Männer aber letztlich zusammenhalten, wenn es darum geht, eine Frau zu unterdrücken. Im herrschaftlichen Salon treffen sich die Honoratioren und lassen den Uniform tragenden Otello spüren, dass er nicht dazu gehört. Die Anzugträger finden das militaristische Auftreten ihres Verteidigers etwas degoutant, der Vater macht seinem Hass auf den Fremden deutlich spürbar. Blackfacing ist überhaupt nicht nötig, die Ablehnung und Otellos verzweifelte Reaktion darauf sind nicht auf das Symbol der anderen Hautfarbe angewiesen. Desdemona gerät zwischen die Fronten und weiß weder im Salon noch in den Dienstbotenquartieren, wie sie sich verhalten soll, wenn sie die heraufziehende Bedrohung spürt. Mit Eleonora Buratto steht eine Desdemona auf der Bühne, die den emotionalen Spagat zwischen der innerlich starken, selbstbewussten Frau und der vom brutalen Vater beherrschten rechtelosen Tochter in jeder Sekunde glaubhaft machen kann. Ganz ohne Schnickschnack und Discogehampel geht es aber auch im Otello nicht. Wenn die Choristen fröhlich sein sollen, hopsen sie auf der Stelle, recken rhythmisch die Arme und staksen unbeholfen über die Bühne.
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