Vera Nemirovas Carmen-Inszenierung am Staatstheater Nürnberg: ein überzeugender Spielzeit-Auftakt mit nur kleinen Schwächen, vor allem aber einer ungewöhnlich dargestellten Titelheldin. Bahnt sich hier ein neuer Typus an?
Von Stephan Schwarz-Peters
Der Teufel tritt immer von rechts auf die Bühne. Diese alte Theaterweisheit gilt auch in der bröckelnden Varieté-Bude, die die Ausstatterin Heike Scheele so schön morbide ins Staatstheater Nürnberg gesetzt hat. Sie ist der Hauptschauplatz des Dramas um Liebe, Hass, Tod und Stierkampf. In der Proszeniumsloge auf der rechten Seite erscheint Carmen zum ersten Mal; sie kommt, sie sieht, und was sich ihrem Blick zunächst bietet, ist ein ziemlich merkwürdiger Haufen: der vielleicht unfähigste, gewiss aber korrupteste Soldatentrupp aller Zeiten, zum Genrebild vermengt mit den Kolleginnen aus der Zigarettenfabrik; auch sie nicht eben Musterbeispiele für gesellschaftliche Integrität. Dass die Regisseurin Vera Nemirova ihr Handwerk auf klassische Weise beherrscht, zeigt sie gleich zu Beginn des ersten Akts. Das Treiben dieser aus Langeweile liederlichen Provinzgesellschaft ist bis aufs i-Tüpfelchen perfekt in Szene gesetzt, die Choreografie mit ihren organischen, fein aufs musikalische Geschehen abgestimmten Bewegungsabläufen, später auch in den Schmugglerszenen, nimmt sowohl den Zuschauer als auch die Darsteller mit. So spielfreudig hat man den Chor in Nürnberg auch vor Corona lange nicht mehr gesehen.
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