Musikalisch wie szenisch ohne Interpretationsansatz, huldigt die neue Hamburger Produktion von Offenbachs Hoffmanns Erzählungen schönen Fantasiebildern. Nur Benjamin Bernheim in der Titelpartie öffnet das Fenster weit in die hohe Kunst.
Von Andreas Berger
Also Fantasie haben Daniele Finzi Pasca und seine Artistenfamilie, das ist nicht zu leugnen. Für die Neuinszenierung von Offenbachs Les contes d’Hoffmann an der Hamburgischen Staatsoper setzen die bei Olympia-Eröffnungsshows und im Cirque du Soleil erprobten Allroundkünstler ganz auf Ausstattung und optische Überwältigung. Da sitzt Olympia in einer riesigen Spieluhr, auf der sie, sobald die Kurbel gedreht wird, ihre halbballetttösen Bewegungen zur Maschinenstimme macht. Da leidet Antonia als blauer Schmetterling, ganz Seele also, in einem turmhohen Sammelschrank voller aufgespießter Schmetterlinge. Und Venedig dreht sich auf dem Ziffernblatt der Kirchturmuhr vom Markusplatz mit all den Figuren von Dom und Piazza wie ein Karussell. Was Hugo Gargiulo (Bühne) und Giovanna Buzzi (Kostüme) da hinzaubern, sieht schön aus und bekommt prompt Szenenapplaus.
Was aber erzählen uns Pasca und der operninterne Fantast all dieser Scheinwelten, Hoffmann, heute damit? Die Psychologie, die Pasca nach eigenem Bekunden nicht interessiert hat, wäre der gangbarste Weg, die Figur des rauschgeführten Künstlers nachvollziehbar zu machen. Sein Frauenbild ist altmodisch genug. Seine Erotik klemmt irgendwo zwischen Automatensex, Sublimation und Geschlechterkampf. Man muss sich auch fragen, warum sich Hoffmann ausgerechnet immer Geschichten ausdenkt, in denen er als Loser dasteht. Rechtfertigung der erotischen und kreativen Versagensangst? Jacques Offenbach komponiert am Ende seines im Produktionsakkord verbrachten Lebens mit dieser Oper gegen den Tod an. Das ist dann doch nicht so heiter-fantastisch, wie Pasca behauptet. Die Hoffmann’sche Romantik ist düster, sie hat nichts von fröhlichem Punk und von Rebellion, sondern ist delirierende Verzweiflung. Die Szenen öffnen keine eskapistischen Rückzugsorte, sondern überall begegnet Hoffmann wieder sich, seinem Sehnen und seinem Scheitern.
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