Er war der ultimative Wagner-Tenor, dunkel-baritonal die Stimme, von unbegrenzter Schallkraft die Spitzentöne. Dazu war er ein unerhört differenzierter Sänger. Eine Erinnerung an den 50. Todestag von Lauritz Melchior.
Von Kai Luehrs-Kaiser
War er der erste und letzte Holzhacker des Wagner-Gesangs? Sein Tenor trug Wams, wahlweise auch Lederhose. Ihn identifizierte man so sehr mit Axt bzw. Flügelhelm, Speer und Schild, dass man ihn auf Privatfotos kaum erkennt. Lauritz Melchior war die Inkarnation des Wagner-Tenors von einst – und verkörpert eine Epoche. Er ist nicht weniger bedeutend als Caruso, Tita Ruffo oder Ponselle. Nachgewirkt hat er jedoch wenig.
Das ist schade. Denn dieser scheinbar draufgängerische, aus unerschöpflichen Ressourcen schöpfende Großtenor konnte stimmlich weit differenzierter, in leise Töne geradezu verliebt, agieren, als das Klischee es will. Man höre Tristans Monolog „O König, das kann ich dir nicht sagen“ aus dem zweiten Tristan-Akt (1931 unter Robert Heger). Oder die langen Wahn-Sequenzen des dritten Akts (in der Live-Aufnahme, New York 1935 unter Artur Bodanzky). Obwohl er es stimmökonomisch nicht nötig hat, vermag Melchior die endlosen Perioden in ein mürbes, in sich zerfallendes Parlando hineinzusublimieren. Sobald er fertig ist, schwenkt Kirsten Flagstad die Leuchte ihres Soprans überirdisch über ihn hin. Er verlöscht.
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