Zwei Mal in seiner Geschichte ist das Opernhaus in Barcelona abgebrannt, zwei Mal wurde es in Rekordzeit wieder aufgebaut. Die Erfolgsgeschichte des berühmten Sängertempels ist auch die Geschichte eines kulturinteressierten und stolzen Bürgertums. Nun feiert das Gran Teatre del Liceu seinen 175. Geburtstag.
Von Reinhard J. Brembeck
Stadt der Wunder nannte Eduardo Mendoza sein berühmtestes Buch und meinte damit durchaus auch ironisch die katalanische Metropole Barcelona, die zwischen den beiden Weltausstellungen von 1888 und 1929 einen Wirtschaftsaufschwung der Sonderklasse hinlegte. Der ging aufs Konto des hier und im Gegensatz zum restlichen Spanien unternehmensstarken Bürgertums. Zu den Wirtschaftswundern dieser Stadt zählt auch, dass der erste Opernbau, das Gran Teatre del Liceu, zwar 1861 niederbrannte, der Nachfolgebau aber nur ein Jahr danach dastand. Der brannte dann 1994 ab, der Wiederaufbau dauerte dieses Mal fünf Jahre. Sicherlich war der Rekordbau von 1861/62 nur deshalb möglich, weil dieses Opernunternehmen, das jetzt mit einer Gala sein 175-jähriges Bestehen feierte, anders als das zweite große Opernhaus Spaniens, das Madrider Teatro Real, keine Einrichtung des Adels, sondern eine des Bürgertums war und ist.
Auf der Rambla del Raval unweit des Liceu drängen sich Tauben und grüne Mönchssittiche um das in ein Bushäuschen ausgestreute Vogelfutter. Letztere sind Zuwanderer aus Lateinamerika, deren schrille Schreie so gar nichts mit dem „Cant dels ocells“ zu tun haben, dem Gesang der Vögel, Titel des berühmtesten katalanischen Volkslieds, das der katalanische Cellovirtuose und Hardcorepazifist Pau Casals gern als Zugabe spielte. Jetzt eröffnet auch die Liceu-Gala mit dieser inoffiziellen Nationalhymne Kataloniens, etliche Katalanen wollen nach wie vor die Trennung von Spanien. Ein einsames Cello spielt den „Cant dels ocells“: Was könnte besser passen zu diesem prächtig Theatersaal mit seinen fünf Rängen, der natürlich keine Königsloge besitzt, weil die so gar nicht zu diesem Bürgersaal passen würde, in dem seit Enrico Caruso und Maria Callas alle großen Sänger und Sängerinnen zu hören waren.
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