In Basel setzt der Intendant Benedikt von Peter Luigi Nonos epochales Musiktheaterwerk Intolleranza auf die Tagesordnung – in einer eigenen Inszenierung, die bereits 2010 in Hannover zu sehen war. Eine fordernde Produktion, die das gesamte Haus auf den Kopf stellt, aber auch vom Zuschauer mehr verlangt als den üblichen Kunstgenuss.
Von Stephan Schwarz-Peters
Von einer „freundlichen Aufnahme“ konnte Luigi Nono nach der Uraufführung seiner mit „Handlung in zwei Teilen“ untertitelten Intolleranza 1960 sicher nicht sprechen. Umso besser, denn einen Erfolg beim traditionellen Opernpublikum hatte Nono – streitbar nicht nur als Kommunist, sondern auch als Komponist – kaum beabsichtigt; es hätte ihn eher irritiert, den Jubel des Establishments aus den Rängen des Teatro La Fenice entgegenzunehmen, wo das Ereignis am 13. April 1961 stattfand. Schon Jahre zuvor hatte Nono, neben Boulez und Stockhausen der große Vertreter der musikalischen Nachkriegsavantgarde, mit der Bühne geliebäugelt, immer bestrebt, die Ausdrucksmöglichkeiten seiner Musik mit szenischen Mitteln zu schärfen. In der Tat richtet er in seiner Intolleranza die mit Metaphern des Schmerzes aufgeladenen Klänge wie Waffen gegen diejenigen, „die es anging“. Noch heute gehört die zweiteilige, nicht einmal anderthalbstündige Parabel über die Verfolgung Andersdenkender und das Erwachen eines politischen Bewusstseins zu den unbequemsten Erzeugnissen der Musiktheatergeschichte. Vor gar nicht allzu langer Zeit erst, 2021, sorgte sie im Hochglanzrahmen der Salzburger Festspiele für betroffene Gesichter im Publikum.
Ein Jahrzehnt zuvor, im Herbst 2010, konnte man sich an der Staatsoper Hannover einen Eindruck von Nonos politischem Bühnenvermächtnis machen, wo es in einer Inszenierung Benedikt von Peters zu sehen war. Heute ist der 1977 geborene Kölner nicht nur Opernregisseur, sondern auch Theaterleiter, der nach seiner Intendanz in Luzern vor zweieinhalb Jahren in gleicher Position ans Theater Basel wechselte. Dorthin hat er seine Inszenierung aus Hannover mitgenommen. Am 11. Februar wird sie unter der musikalischen Leitung von Stefan Klingele, auch er bereits in der niedersächsischen Landeshauptstadt am Pult mit dabei, Premiere feiern. Die Vorbereitungen haben das Haus schon früher als bei den meisten anderen Produktionen auf den Kopf gestellt – und daran ist nicht nur die Schwierigkeit des Notentextes Schuld, der neben extremen Tonhöhen auch rhythmische und koordinierungstechnische Herausforderungen in Fülle enthält, sondern auch die gewaltige Emotionalität des Stücks, die niemanden unberührt lassen darf, der es überzeugend aufführen möchte. Wenn Benedikt von Peter Nono als „die Fortschreibung von Verdi“ bezeichnet, meint er damit das, was die beiden Opernschöpfer über unterschiedlichste Klang- und Vorstellungswelten hinweg verbindet: Die besondere Fähigkeit, mit Mitteln des Musiktheaters Empathie hervorzurufen, Identifikation zu schaffen und Mitgefühl zu erwecken.
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