Immer mehr Menschen im Auditorium benehmen sich mit Wonne daneben. Der Sittenverfall ist damit auch in der Oper angekommen.
Von Manuel Brug
Ein einsamer, aber dafür vehementer Buhrufer, meist von links oben, der bereits in die (inzwischen wieder weitgehend applauslose) Stille nach dem ersten Bayreuther Parsifal-Akt hineinblökt, damit auch jeder Live-Radiohörer seine Meinung erfahren kann: Auch das gehört wohl inzwischen zur unvermeidlichen Folklore auf dem Grünen Hügel. Auch dass die besonders traditionsverkrusteten Wagnerianer, die sich seit dem selig verblichenen Wagner-Festival in Wels immer noch Hörnerhelme, Brünne, Grane und Speer herbeisehnen, am Ende jedes neuen Bayreuther Rings, nach sechs Tagen des immer erbitterteren Wartens, ihre verbale Wut über das Regieteam auskübeln, als hätten sie verschärfte Guantanamo-Folter hinter sich – geschenkt. Das wissen alle Beteiligten, dagegen können sie sich wappnen und wehren.
Aber es ist schon seltsam, wie sehr auch die Oper und das Konzert, bisher ein sakrosankter Raum der Stille, Kontemplation und Versenkung jenseits der intendierten akustischen wie optischen Darbietungen immer mehr zu einer Bühne der fehlenden Rücksichtnahme, des übergroßen Egos, des regellosen anything goes werden. Corona mag auch noch seinen Teil dazu beigetragen haben, dass immer mehr Ticketkäufer meinen, damit einen Freifahrschein für Egozentrik erworben zu haben und die Auditorien als Erweiterung des heimischen Wohnzimmers (sogar Schlafzimmers bisweilen) verstehen.
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