Cancel Culture oder Kanzel Culture? Ein aktueller Vorfall bei den Erfurter Domstufenfestspielen wirft die Frage auf, ob sich Opernhäuser bei Gegenwind viel zu schnell ins Bockshorn jagen lassen, anstatt mutig zu ihren künstlerischen Konzepten zu stehen.
Von Stephan Schwarz-Peters
Was war denn da schon wieder los? Presseberichte schildern einen Vorfall aus Erfurt, wo im Juli bei den Domstufenfestspielen Berlioz‘ Damnation de Faust in einer Neuinszenierung von Ben Baur auf dem Programm stand. Ganz vorne sitzend, demonstrierte der Erfurter Weihbischof Reinhard Hauke beim Anblick sich mächtig aufbäumender Kostümpenisse (Studentenszene in Auerbachs Keller) zunächst Gelassenheit. In seinem weiblich dominierten Publikumsumfeld aber wollte der Kirchenmann auf einmal so viele irritierte Gesichter erblickt haben, dass er im Anschluss an die Premiere darum bat, die Riesengenitalien künftig wegzulassen; zudem, warf er ein, halte er deren Zurschaustellung im Kulissenumfeld des Doms für wenig angemessen. Obwohl sich keine der zu Kronzeuginnen erklärten Sitznachbarinnen eines Traumas entsinnen konnte, beeilte sich Erfurts Intendant Guy Montavan, der frommen Bitte nachzukommen. Was sich aufdrängt: der modewortummantelte Verdacht der Cancel Culture, hier einmal in der klerikalen Variante. Oder wäre es gar angebracht, von „Zensur“ zu sprechen?
Jetzt weiterlesen!
Dies ist Premiummaterial. Testen Sie unsere Angebote, um den gesamten Artikel zu lesen.
Abonnieren
Das aktuelle gedruckte Heft jetzt bestellen oder komplett online lesen!Jetzt mit wenigen Klicks zum OPER!-Inhalt
Ausprobieren
Zwei ausgewählte Artikel kostenlos lesen? Dann registrieren Sie sich hier!In dieser Ausgabe kostenlos: