Die Kölner Inszenierung von Berlioz‘ Béatrice et Bénédict widmet sich detailreich dem Leben einer Stadtgesellschaft, doch die Erotik der Hauptfiguren bleibt unterbelichtet.
Von Andreas Berger
Die ganze Stadt ist Aug‘ und Ohr. In Christof Cremers Bühnenbild für das sizilianische Messina besteht die Piazza aus liegenden Häusern mit Fenstern, die sich nach oben hin zu einer Hintergrundfassade mit Loggia aufwellen. Wenn hier einer nächtens Lärm macht als Besoffener, dann kommt der Protest auch aus den sich öffnenden Bodenluken. Und Lärm wird viel gemacht bei Béatrice et Bénédict im Kölner Staatenhaus, Hector Berlioz‘ Oper nach Shakespeares Viel Lärm um nichts. Nicht im Orchestergraben, wo die eher feinnervige, sommernachtstraumhaft quirlige Musik bei François-Xavier Roth und dem Gürzenich-Orchester in besten Händen ist. Sondern vom Chor, der sich in Jean Renshaws quasi akustikkomödiantischer Inszenierung jenseits aller Musik als brabbelnde Menge über die Bühne ergießt. Mit Kind und Kegel, Kinderwagen, Blindenstock und Einkaufstasche bilden diese typisierten Bürgerinnen und Bürger eine auf italienische 50er-Jahre-Filme getrimmte Stadtgesellschaft, die sich streitet, liebt und feiert, wie es das Buffa-Klischee will. Und offenbar wird auch viel schmutzige Wäsche gewaschen, denn im Hintergrund hängt immerzu jemand neue auf.
Als Berlioz‘sche Hinzuerfindung für die Opernfassung hat der Kapellmeister Somarone die Aufgabe, den Hühnerhaufen zu bändigen, einmal als Festchor für die siegreiche sizilianische Armee und später für eine Hochzeitskantate. Mehr Erfolg als bei diesen Projekten hat er bei Renshaw allerdings dadurch, dass es ihm gelingt, die unausgesetzt plappernde Masse zum Laut- und Leiserwerden zu dirigieren, womit er ein Werk konkreter Musik schafft, von dem die Leute selbst verblüfft sind. Eine schöne Pointe, die auch beim Publikum ihren Effekt nicht verfehlt. Und Ivan Thirion und der Chor spielen und singen das gekonnt.
Jetzt weiterlesen!
Dies ist Premiummaterial. Testen Sie unsere Angebote, um den gesamten Artikel zu lesen.
Abonnieren
Das aktuelle gedruckte Heft jetzt bestellen oder komplett online lesen!Jetzt mit wenigen Klicks zum OPER!-Inhalt
Ausprobieren
Zwei ausgewählte Artikel kostenlos lesen? Dann registrieren Sie sich hier!In dieser Ausgabe kostenlos: