So geht Freischütz heute: Kirill Serebrennikov zieht Carl Maria von Webers Biedermeierhit einen doppelten Boden ein. Den Wald lässt er weg.
Von Eleonore Büning
In der zweiten Vorstellung der ersten Amsterdamer Freischütz-Inszenierung klingelt ein Mobiltelefon. Wir befinden uns kurz vor Ende des zweiten Akts. Gerade singt Agathe: „Nichts fühlt mein Herz, als Beben“. Ännchen, wie es ihre Art ist, deeskaliert: „So ist das Jägerleben“. Und Max, der sich von den Mädels mit diesem Terzett verabschiedet, um zum Freikugelgießen zu eilen, ist wieder mal nur ängstlich mit sich selbst beschäftigt: „Bald wird der Mond erblassen, mein Schicksal reißt mich fort.“ Unterdessen klingelt es unten links im Parkett hartnäckig weiter.
Die drei absolvieren ihr Ensemble Nr. 9 („Wie? Was? Entsetzen!“) vorn an der Rampe, in Songbeleuchtung. Vorbildlich Johanni van Oostrum, eine weich fließende, milde Agathe mit dramatisch-stählernem Kern. Ying Fang als Ännchen: betörend quecksilbrig. Und weil Benjamin Bruns, der hier den Premieren-Max sang, krankheitshalber ausfiel, wurde für diesmal der Tenor Jussi Myllys eingeflogen, Ensemblemitglied der Deutschen Oper am Rhein, zuletzt zu erleben in Meyerbeers Feldlager in Schlesien in Bonn. Die Partie hat Myllys drauf, sein Paradestück „Durch die Wälder…“ bereits mit Bravour absolviert, wobei in die Generalpause hinein, nach dem Fortissimo-Spitzenton auf dem Wort „Gott“, aus dem Off ein hässlicher Lacher ertönte, eingeworfen von einem neidischen Sängerkollegen.
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