Als Regiearbeit kann man die neue Pique Dame an der Scala eher vergessen. Im Gedächtnis bleibt sie aber wegen durchwegs starker Sängerleistungen – und als wahrscheinlich letzter großer, beeindruckender Auftritt von Dirigent Valery Gergiev an einem westlichen Opernhaus, bevor der Ukraine-Krieg seiner außer-russischen Karriere ein dauerhaftes Ende gesetzt hat.
Von James Imam
Am 23. Februar dirigierte Valery Gergiev eine höchst gelungene Eröffnungsvorstellung der neuen Pique Dame an der Scala. Im Morgengrauen des nächsten Tages begann Wladimir Putin seine skrupellose Invasion der Ukraine. Die Ereignisse seither ließen von Gergievs Karriere nur noch einen Scherbenhaufen übrig: Mit der Weigerung des russischen Dirigenten, den Krieg Putins (eines engen Freundes, dessen umstrittene Politik Gergiev des Öfteren verteidigt hat) zu verurteilen, hat ihm eine wachsende Zahl von Häusern und Ensembles den Rücken gekehrt. Sowohl die Scala als auch die Carnegie Hall gehören dazu, ebenso die Münchner Philharmoniker, die ihm als Chefdirigenten gekündigt haben, und auch das Verbier Festival Orchestra hat seinen Rücktritt als Musikdirektor angenommen.
Internationale Empörung, und damit auch der Druck auf Gergiev in Mailand, wuchs bereits in den Tagen vor der Aufführung aufgrund von Putins Truppenkonzentration an der ukrainischen Grenze. Scala-Gewerkschaftsvertreter veröffentlichten am Vorabend der Premiere einen Aufruf mit der Forderung, der Dirigent solle „eine Botschaft der Hoffnung und des Friedens von der Bühne (des Hauses)“ senden. Am Abend selbst waren ein paar Buhrufe zu hören als Gergiev ans Pult trat, doch standen zu dieser Vorkriegszeit noch künstlerische statt politische Aspekte im Fokus der Milanesen. Nach einer unbestreitbar phänomenalen Aufführung belohnte das Publikum Gergiev beim letzten Vorhang mit ekstatischem Beifall.
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