Peter Konwitschny schmiedet mit Siegfried in Dortmund seinen Ring des Nibelungen weiter. Und zeigt, dass er es immer noch drauf hat, auch wenn er in die Jahre gekommen ist.
Von Kai Luehrs-Kaiser
Kann er‘s noch? – 23 Jahre ist es nun her, seit Peter Konwitschnys legendäre Götterdämmerung im Rahmen des von vier Regisseuren bewältigten berühmten Stuttgarter Ring des Nibelungen über die Bühne ging. Viel Zeit ist vergangen. Die Karriere des damals wichtigsten Opernregisseurs der Nachwende ist abgeflacht, eingebrochen, wieder hochgekommen. Für den Dortmunder Erfolgsintendanten Heribert Germeshausen gehörte es zu den vornehmsten Ideen seiner Ära, Konwitschny noch einmal an die Sache heranzuführen. Auf dass der – da er den Ring nie komplettiert hat – den ganzen Zyklus in Dortmund auf die Bühne bringe. Als doppelte Vorgabe wurde vereinbart, dass die alte Götterdämmerung aus Stuttgart recycelt werde; während für die drei neuen Teile, beginnend mit Die Walküre, jeweils ein anderer Bühnenbildner firmiert. Mit Siegfried hält man aktuell auf der genauen Nahtstelle zwischen Neu und Alt. Und siehe: Die Sänger beim Schlussapplaus dieser Siegfried-Premiere treten vor den Vorhang, als wollten sie sagen: „Ihr liebt uns, wir wissen’s doch.“ Und es stimmt.
Dabei bilden Daniel Frank in der Titelrolle und Matthias Wohlbrecht als Mime zu Anfang ein zu ähnliches, in sich verwechselbares Paar. Wohlbrechts nückernder, robust-unverwüstlicher Mime ist kein abgehalfterter Heldentenor, aber auch kein fies gewordener Mozartianer. Er ist genauso vierschrötig, waldschratig wie Siegfried selbst. Mime übrigens trägt, um es optisch zu verdeutlichen, eine künstliche Hobbit-Nase (ähnlich wie später Morgan Moody als Alberich). Hat Konwitschny etwa Tolkien gelesen? Sein Anspielungsreichtum wird unsere Fantasie noch häufiger beschäftigen. Mit Seehundschnauzer und Stirnband erinnert Siegfried an Leslie Mandoki von der ehemaligen Popgruppe Dschingis Khan (Dank an das Schlagergedächtnis von Manuel Brug!). Alina Wunderlin als – etwas höhenkurzer – Waldvogel umflattert das Geschehen im grünen Spitzen-Tutu wie die Fee Tinkerbell in Disneys Peter Pan. Man sollte die Pop-Sozialisierung auch altgedient-sozialkritischer Regisseure eben nie unterschätzen. Und sich erst recht nicht irritieren lassen von der – im Fall von Konwitschny – bis in Kniehöhe herabschlabbernden Breitcordhose undefinierbar dunkler Farbe, in welcher der Regisseur sich verbeugte. Er muss sie aus dem privaten Nachlass Bertolt Brechts übernommen haben.
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