Drame lyrique und Opéra bouffe aus Frankreich am Gärtnerplatztheater in München: Massenets Werther dominiert über Offenbachs Die Großherzogin von Gerolstein.
Von Klaus Kalchschmid
Werther
Nur 20 Jahre liegen zwischen Jacques Offenbachs La grande-duchesse de Gérolstein (Die Großherzogin von Gerolstein), uraufgeführt 1867, und Jules Massenets Werther, entstanden von 1885 bis 1887. Doch was für ein Unterschied: Hier die pralle Militär-Satire, dort die tief unter die Haut gehende Vertonung von Goethes Briefroman Die Leiden des jungen Werthers. Beide für ihre Komponisten zentralen Werke kamen jetzt innerhalb von gut drei Wochen am Staatstheater am Gärtnerplatz heraus und bewiesen, dass dieses Haus die leichte Muse genauso beherrscht wie die große Oper.
Einst sorgte die Bayerische Staatsoper 1977 mit der Münchner Erstaufführung des Werther für die Wiederentdeckung von Massenets Meisterwerk. Viele Bühnen nahmen es in ihren Spielplan, auch 2003 das Gärtnerplatztheater, allerdings in deutscher Übersetzung von Max Kalbeck; nun sang man auch hier Französisch. Und was für ein schöner Beweis für die Ensemble-Kultur des Hauses, dass man alle Partien doppelt besetzen konnte. Dem Regieteam um Regisseur Herbert Föttinger, Bühnenbildner Walter Vogelweider und Kostümbildner Alfred Mayerhofer gelang eine im besten Sinne werkgetreu packende Produktion, bei der alle grandiose singende Schauspieler waren mit einer darstellerischen Feinheit und Intensität, die man eher von Film oder Sprechtheater kennt.
Irgendwo angesiedelt zwischen Biedermeier, in dem die Handlung spielt, und Historismus, als die Oper entstand, beginnt diese hier in einer schlichten Zimmerflucht mit jeder Menge frühromantischer Gemälde mit allerlei Darstellungen von Natur an der Wand. Im zweiten Akt sind wir auf der Terrasse eines etwas angeranzten Ausflugslokals, im dritten in einem nüchternen Durchgangs-Flur.War alles bisher blau oder weiß, so dominiert im Zimmer Werthers, der bei Aufgehen des Vorhangs mit Bauchschuss auf einem Stuhl kauert, düsteres Schwarz: Am Tisch eine schwarze Schreibmaschine, auf der der junge Mann wohl die Zitate aus Goethes Die Leiden des jungen Werthers tippte, die Satz für Satz auf dem Zwischenvorhang während Vor- und Zwischenspielen des Orchesters erscheinen.
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