Nach einem Jahr Zwangspause meldet sich das Festival d’Aix-en-Provence wieder zurück. Im Mittelpunkt der diesjährigen Ausgabe standen Werke von Mozart, Verdi, Wagner und Saariaho.
Von Stephan Schwarz-Peters
Le nozze di Figaro
Kulturreisende, die es im Sommer nach Aix-en-Provence verschlägt, erwartet dort nichts als schöne Menschen, die bei schönem Wetter in schöner Kleidung durch schöne Gassen flanieren, in schönen Geschäften schöne Souvenirs erstehen und abends im Freien schöner Musik lauschen. Die schönste stammt natürlich von Mozart, der hier beim Festival seinen Ehrenplatz hat; auch in diesem verstärkt von Einlasskontrollen und Gesundheitspass-Vorzeigen geprägten Jahr, in dem es eine Hochzeit des Figaro gibt, die Lotte de Beer mit Hilfe der Strickliesel inszeniert hat. So scheint es zumindest, wenn sich gegen Ende eine Flut von kilometerweise verarbeiteten, schrillfarbigen Wollmassen über die Bühne ergießt, aus deren Mitte ein Baum in ebenso bunter Strickoptik phallusartig emporwächst.
Überhaupt, mit dem primärsten aller männlichen Geschlechtsmerkmale haben es die Regisseurin sowie ihr Ausstattungsteam Rae Smith (Bühnenbild) und Jorinde van Beek (Kostüme). Mehrfach tanzt es als Karnevalskostüm über die Bühne, unübersehbar richtet es sich in der Hose des hormonell überforderten Cherubino auf – und bildet am Ende das einzig verbindende Element in der ansonsten eher disparaten, stilistisch in zwei Teile gespaltenen Inszenierung. Wo in den ersten beiden Akten eine auch kulissen- und requisitentechnische Überfülle an Commedia-dell‘arte- bzw. Sitcom-Gags auf die Zuschauer niederprasselt, regiert nach der Pause optisch streng ein im Glaskasten isoliertes Luxusbett das auf einmal drastisch verlangsamte Geschehen. Das Grundmetrum dieser sich gesellschaftskritisch allein auf Genderthemen beziehenden Inszenierung lässt sich nicht erkennen, der Mangel an Timing lässt einen nervös auf dem mehr oder minder bequemen Holzgestühl des nachtwinddurchzogenen Théâtre de L’Archevêché hin- und herrutschen.
Jetzt weiterlesen!
Dies ist Premiummaterial. Testen Sie unsere Angebote, um den gesamten Artikel zu lesen.
Abonnieren
Das aktuelle gedruckte Heft jetzt bestellen oder komplett online lesen!Jetzt mit wenigen Klicks zum OPER!-Inhalt:
Ausprobieren
Zwei ausgewählte Artikel kostenlos lesen? Dann registrieren Sie sich hier!Kostenlos lesbar: