Die Oper in Rouen zeigt Offenbachs La vie parisienne zum ersten Mal in der rekonstruierten Originalfassung. In der Regie des Modeschöpfers Christian Lacroix wird die zu einem durchgeknallten, atemlosen Spaß.
Von Manuel Brug
Mit Verlaub, diese Domestiken tönen arg deutsch! Aber solches war eben im zweiten Pariser Kaiserreich nicht allzu selten. Schuster und Handschuhmacherin, Zofe und Kutscher waren oftmals eingewanderte „Boches“, wie man die Jenseitsrheinischen abwertend nannte. Und über deren harte Sprache man sich gern lustig machte. So natürlich auch das bewährte Librettisten-Team Henri Meilhac und Ludovic Halévy im Verein mit ihrem kongenialen Tonsetzer-Partner Jacques Offenbach. Ohnehin liebten alle drei die Lautmalereien, die Parodie, den grotesken Nonsens. Und davon gibt es ganz besonders viel in ihrem vielleicht nachhaltigsten Erfolg (neben vielen), dem satirisch bis heute gültig überspitzt auf die gar nicht so gute, von dummen, aber adeligen skandinavischen Touristen unterwanderte Gesellschaft abzielende Operette La vie parisienne.
1866 kam diese Revue aufs Savoir Vivre in der Seine-Traumstadt, die bis heute weiterhin von einer florierenden Industrie, u.a. in der Pigalle-Falle Moulin Rouge sowie in überteuerten Luxushotels, ausgeschlachtet wird; die dummen Touristen, die das schlucken, kommen inzwischen (und bald wieder) nur eben aus Asien. Doch eine jodeljuchzige Farandole, in der sich die deutsche gegen die Marseillaiser Dienerschaft rustikal ins Zeug legt („Sauerkraut mit Schink und Wurst / Gibt mir immer, immer Durst“), ein Quintett, in dem am Ende nur noch vokal mit der Schreibfeder gequietscht wird und man die Kanone donnern lässt, ein sich melodisch raffiniert übereinanderlegendes Ensemble für 13 Stimmen, Don Giovanni-Anspielungen des Mozart-Liebhabers Offenbach, ein Trio über diplomatische Streitfragen, ein weiteres über das Schnarchen und später noch eine Lärmmusik, das sind vielerlei Operetten-Bijoux, die bisher keiner hören durfte und konnte.
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