Edita Gruberová über Lust und Last des Singens, brüllende Kollegen und warum sie sich ein Ende der „Scharlatanerie“ wünschte.
Interview: Kai Luehrs-Kaiser
Im Jahr 2009 gab die Sopranistin Edita Gruberová das folgende Interview im Haus der Bayerischen Staatsoper. Der Text wird hier erstmals veröffentlicht, zur Erinnerung an eine Jahrhundertsängerin.
Frau Gruberová, Sie haben, nach Norma, Ihren Bühnenrückzug immer wieder verschoben. War es ihnen, trotz Norma, immer noch nicht genug?
Eigentlich müsste ich sagen: „Ich habe – von Mozart an – alles gehabt. Mehr mag ich nicht.“ Im Grunde ist es in den Belcanto-Opern ja immer das Gleiche: Liebe, Verrat, Hass und so. Musikalisch ist und bleibt Norma der Höhepunkt meines Lebens. Da sind alle Facetten drin – und es ist genial komponiert. Das hatte ich bisher bei keiner anderen Opernpartie. Lucia wird wahnsinnig, nun gut. Ich war mein ganzes Leben lang wahnsinnig.
Was ist wahnsinnig an Ihnen?
Naja, finden Sie es nicht wahnsinnig, dass man vor vielen Menschen den Mund aufmacht und zu singen anfängt? Sich zu sagen: Jetzt gehe ich raus und gebe etwas von mir, ist ja doch irgendwie eine angeborene Merkwürdigkeit. Man kann es nicht erlernen.
Sie sind eine der wenigen Sängerinnen, die weltweit eine, man kann sagen: kultische Verehrung genießt. Kann Lob auch gefährlich sein?
Ich bin nicht mehr so naiv, gleich auf Wolke Sieben zu schweben, wenn man mich lobt. In jungen Jahren habe ich mehr an mir gezweifelt, und konnte mit Lob eigentlich nicht gut umgehen. Die Stimme entwickelt sich und gewinnt erst langsam die Farben, mit denen man gestalten kann. Heute bin ich etwas abgeklärter. Ich brauche keine Kritiken mehr, die mir sagen, dass einer Interpretation Glaubwürdigkeit oder Emotion fehlt.
Was war die beste Kritik, die Sie jemals erhalten haben?
Einmal sagte mir ein Herr, er habe seiner Schwester eine Niere gespendet, sei fast selbst dabei gestorben und sei dann mit meinen Platten wieder gesund geworden. Das hat mir viel bedeutet. Es war keine Kritik, sondern ein Geständnis. Ich weiß selbst, ob ich etwas ganz gut gemacht habe oder nicht. Ich bin die erste, die einen Fehler bemerkt, und die erste, die unter ihm leidet.
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