Der argentinische Tenor José Cura war weit mehr als nur der ultimative Stiernacken der Oper und bester Otello seiner Zeit. Mit ihm geht eine Ära testosteronsatter Männlichkeit tendenziell zu Ende. Jetzt wird er 60 Jahre alt.
Von Kai Luehrs-Kaiser
„Maestro Cura“ erlaubt keine Kürzungen; auch keine Bearbeitungen dessen, was er sagt. Das lässt uns das Management vorab wissen. Cura gibt Interviews grundsätzlich nur noch schriftlich. Wohlan denn! Wir kennen den maskulinen, durchaus draufgängerischen, aber klugen Sänger noch aus Zeiten, in denen er auch persönlich mit sich reden ließ. Die Antworten, die er uns schriftlich sendet und bei denen er doch noch Kürzungsmöglichkeiten duldet, sind sehr vernünftig. Sie zeigen den Argentinier, der am 5. Dezember 60 Jahre alt wird, als einen Sänger, der die Fäden seiner Karriere noch immer fest, aber besonnen in Händen hält.
Und wie überwältigend machohaft konnte er doch agieren! José Cura, das war in den frühen 90er- und 00er-Jahren ein Ausbund testosteronfreudiger Angriffslust in der Oper. Besonders Otello, aber auch Canio, Turridù und Samson porträtierte er als Mannsbilder von erotischer Triftigkeit und großartigem Aplomb. Wenn sich dieser Tenor das Hemd aufriss und die behaarte Brust übergewaltig ins Scheinwerferlicht hielt, lächelte niemand mehr herablassend oder zweifelnd. Cura, das war der letzte Testosteronbomber von Graden. Der letzte Mann der Oper.
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