Gegen das Problem klammer Kassen und des pandemiebedingten Publikumsschwunds stemmt man sich in Oldenburg selbstbewusst mit einem Ring-Zyklus. Die gemeinschaftliche Anstrengung für dieses Großprojekt zeugt von der Leistungsfähigkeit und dem Arbeitsethos an einem eher „kleineren“ Staatstheater.
Von Uwe Friedrich
Es ist eine enge Welt der herrischen Patriarchen und der unterdrückten Frauen, der rechtlosen Arbeiter, der freiheitsdürstenden Jugend und einer Elite, die meint sie stünde über Recht und Gesetz. Sie alle sind zusammengezwungen in einer engen und düsteren Ansammlung von archaisch anmutenden Räumen aus längst untergegangener Zeit. Hier sitzen sie um den Kachelofen, auf dem später die widerspenstige Tochter eingesperrt wird, treffen in einer Scheune auf ihre Widersacher oder sitzen auf dem Plumpsklo wie der notorisch frustrierte Psychopath, der schnell mal selbst Hand anlegt, um sexuellen Druck abzulassen, weil die geschwätzigen Mägde in der angrenzenden Waschküche ihn nicht ranlassen.
So deftig und derb beginnt Das Rheingold am Oldenburgischen Staatstheater in der Inszenierung von Paul Esterhazy und setzt den Ton für eine konsequent als alpine Familiengeschichte erzählten Ring des Nibelungen. Gemeinsam mit seinem Ausstatter Mathis Neidhardt verlegte er den germanisch inspirierten Mythos in eine hermetische Bergwelt, die von John Knittels Schauerroman Via Mala oder von Thomas Willmanns Alpenwestern Das finstere Tal inspiriert sein könnte. Schlafzimmer, Wohnküche, Schmiede, Waschküche und Spinnstube wurden als einzelne Komponenten gebaut, die immer wieder neu und verblüffend auf der Drehscheibe kombiniert werden können. Zwischen diesen Räumen ergeben sich immer wieder überraschende Durchgänge oder Korridore. Außen- und Innenräume sind gleichermaßen klaustrophobisch, das Soziotop der heillos miteinander verfilzten Protagonisten erweist sich als unentrinnbar.
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